Machtkampf in der Ukraine: Caritas warnt im domradio vor Radikalisierung der Parteienlage

"Die Menschen sind politikmüde"

Vor einer Radikalisierung der Parteienlage in der Ukraine hat der Präsident des nationalen Caritasverbandes gewarnt. Im domradio-Interview sagte Andriy Waschkowitsch, die Bevölkerung sei "politikmüde". - In der Ukraine hatte sich die Krise in den vergangenen Tagen immer weiter zugespitzt. Zuletzt lehnte das Parlament die eigene, von Präsident Viktor Juschtschenko beschlossene Auflösung ab.

 (DR)

Widersetzung des Parlaments
Bei einer Krisensitzung der Regierung in der Nacht zum Dienstag forderte Janukowitsch den Präsidenten auf, den entsprechenden Erlass zur Auflösung des Parlaments zurückzuziehen. "Alles andere würde nur zu einer Verschärfung der Lage im Land führen", sagte der Regierungschef. Er schlug Juschtschenko stattdessen vor, an den Verhandlungstisch zu kommen.

Das Parlament selbst widersetzte sich der verfügten Auflösung und den geplanten Neuwahlen. Die Oberste Rada entzog mit Eilgesetzen den von Juschtschenko für den 27. Mai angesetzten Neuwahlen die Grundlage.

Appell aus Washington
"Die Parlamentskrise hat sich zu einer Krise des ganzen Landes ausgewachsen", sagte Juschtschenko im Fernsehen. Die regierende Koalition aus Janukowitschs Partei der Regionen, den Kommunisten und Sozialisten habe durch die Aufnahme von Oppositionsabgeordneten gegen die Verfassung verstoßen.

Angesichts der innenpolitischen Krise rief die US-Regierung alle Parteien zu Ruhe und einem Verzicht auf Gewalt auf. Die Konfliktparteien sollten ihren Streit mit rechtsstaatlichen Mitteln austragen, hieß es in einer Erklärung des US-Außenministeriums vom Montag.

Alte politische Zuteilungen gelten nicht mehr
Viele Fragen der Machtaufteilung zwischen Präsident, Regierung und Parlament in der Ukraine sind in der Verfassung nicht eindeutig geregelt. Es ist umstritten, ob die Parlamentsauflösung durch Juschtschenko rechtmäßig ist. Premier Janukowitsch hatte seine Macht auf Kosten des Präsidenten ausgebaut.

Zuletzt entzündete sich der Zorn des Präsidenten daran, dass die Parlamentsmehrheit immer wieder Abgeordnete der Opposition abwarb, sei es für einzelne Abstimmungen oder für dauerhafte Fraktionswechsel. Die Etiketten "pro-westlich" für die Parteien um Juschtschenko und Timoschenko und "pro-russisch" für das Polit-Lager um Janukowitsch in der Ukraine gelten heute nicht mehr als so aussagekräftig wie zu Zeiten der Orangenen Revolution.