Hans-Dietrich Genscher wird 80 - Vielflieger im gelben Pullunder war dienstältester Außenminister

Chefdiplomat zwischen Ost und West

Es sind die schwierigsten Stunden in der politischen Karriere Hans-Dietrich Genschers. Palästinensische Terroristen nehmen am 5. September 1972 bei den Olympischen Spielen in München israelische Sportler als Geisel. Genscher - damals Bundesinnenminister - bietet sich als Ersatzgeisel an, ohne Erfolg. Am nächsten Tag sind die israelischen Athleten tot. Wenige Wochen später ruft Genscher die Anti-Terror-Gruppe GSG 9 ins Leben.

 (DR)

Einen emotionalen Höhepunkt erlebt der Politiker viele Jahre später. Der Außenminister steht am 30. September 1989 auf dem Balkon der Botschaft in Prag: "Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ..." Der Rest des Satzes geht im Jubel der rund 5000 DDR-Flüchtlinge unter. Genscher hatte zuvor die Ausreise dieser Menschen in die Bundesrepublik bei Verhandlungen mit Vertretern von DDR und UdSSR erwirkt. Es ist die Sternstunde des langjährigen deutschen Chefdiplomaten, der sich von Anfang an für die Entspannung zwischen Ost und West engagiert hat. Der "Mann mit dem gelben Pullunder" wird am Mittwoch 80 Jahre alt.

Am 21. März 1927 erblickt Genscher in einem Vorort von Halle das Licht der Welt. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges zur Wehrmacht eingezogen, kehrt der 18-Jährige nach kurzer amerikanischer und britischer Kriegsgefangenschaft im Juli 1945 an seinen Heimatort zurück. Dort legt er sein Ergänzungsabitur ab und nimmt sein Jura-Studium auf. Auch sein politisches Engagement beginnt Genscher noch im Osten Deutschlands: 1946 tritt er der Liberal-Demokratischen Partei bei. Nach der Übersiedlung in den Westen wird er 1952 Mitglied der FDP.

Danach geht es mit der Polit-Karriere steil bergauf. 1959 wird der Liberale Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, später auch der Bundespartei. 1965 zieht Genscher erstmals in den Bundestag ein, dem er 33 Jahre lang angehören sollte, bis 1998. Zu Zeiten der großen Koalition macht sich der Spitzenpolitiker als wichtigster Sprecher der Opposition einen Namen, bevor er seine Ministerkarriere beginnt.

Am 22. Oktober 1969 überträgt Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) dem damaligen FDP-Vizechef die Leitung des Innenressorts. Fünf Jahre später wird Genscher unter Helmut Schmidt (SPD) Außenminister und Vizekanzler. Im gleichen Jahr löst er zudem Walter Scheel als FDP-Chef ab und behält bis 1985 den Parteivorsitz. Trotz des Koalitions- und Kanzlerwechsels in Bonn behält Genscher das Amt des Außenministers insgesamt 18 Jahre.

Seiner ausgeprägten Reisediplomatie verdankt er den Spitznamen "Vielflieger der Nation". Seine Ost- und Entspannungspolitik prägt den Begriff "Genscherismus", dem später jedoch ein negativer Beigeschmack anhaftet und der insbesondere in Washington zum Synonym für Schaukelpolitik wird. Ein "aalglatter Kerl" sei der deutsche Außenminister, meint damals der frühere US-Botschafter Richard Burt. Im Mai 1992 tritt Genscher überraschend als Außenminister zurück und übergibt die Amtsgeschäfte seinem Nachfolger Klaus Kinkel (FDP). Zu diesem Zeitpunkt ist er Europas dienstältester Außenminister.

Im März dieses Jahres stellt Genscher sein Verhandlungsgeschick erneut unter Beweis. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ist der FDP-Politiker maßgeblich an der Freilassung des im Iran inhaftierten Donald Klein beteiligt. Klein war im November 2005 beim Hochseefischen in den Vereinigten Arabischen Emiraten in iranische Hoheitsgewässer geraten und wegen Grenzverletzung zu 18 Monaten Haft verurteilt worden.