Breite Kritik am Entwurf der Regierung zum Gewebegesetz

Mehr Tote bei Tansplantationen durch neues Gesetz?

Der Gesetzentwurf der Regierung für den Umgang mit menschlichen Zellen und Geweben ist bei einer Expertenanhörung im Bundestag auf Kritik gestoßen. Die Pläne könnten "zu mehr Toten im Bereich der Organtransplantation führen". Die katholische Kirche warnte vor einer Kommerzialisierung von Zellen und Gewebe. Es müsse eindeutig verboten bleiben, den menschlichen Körper oder Teile zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen.

 (DR)

Wenige Fachleute bewerteten die Vorlage als gut, bemängelten aber, dass die Regierung nicht einfach bei den entsprechenden Vorgaben der Europäischen Kommission bleibe.

Das so genannte Gewebegesetz soll eine EU-Richtlinie von 2004 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für menschliche Gewebe und Zellen umsetzen. Dabei geht es auch um die Entnahme von Gewebe wie Herzklappen oder Augenhornhäute. Deren Gewinnung kann unter Umständen mit der Entnahme ganzer Organe, beispielsweise von Herzen, konkurrieren. Die Frist für die Umsetzung der EU-Vorgabe lief im April 2006 ab. Der Entwurf stieß bereits bei der Ersten Lesung im Parlament im November auf breite Kritik.

Vorbehalte kamen von der Bundesärztekammer (BÄK), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der katholischen Kirche, den Wohlfahrtsverbänden, Krankenhäusern, Kassen und Fachmedizinern.
Die BÄK forderte eine komplette Revision. Nach der vorgesehenen Rechtsdefinition "entstammt der Mensch einem Arzneimittel", sagte Präsident Jörg-Dietrich Hoppe. Kliniken, die Gewebe wie Herzklappen oder Augenhornhäute zu Transplantationszwecken entnähmen, würden zu pharmazeutischen Unternehmen. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation warnte davor, es sei der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass es unentgeltliche Organ- oder Gewebespenden geben solle und dafür geworben werde und später mit dem gespendeten Gewebe Handel möglich sein solle.

Auch die katholische Kirche warnte vor einer Kommerzialisierung von Zellen und Gewebe. Die Bundesregierung habe "die angestrebte enge und umfassende Umsetzung" der EU-Richtlinie nicht vollzogen. Das gelte zum Beispiel für die Regelungen zur Knochenmarkspende durch Minderjährige und nichteinwillungsfähige Personen, wo die Regierung über die Brüsseler Vorgabe hinausgehen wolle. Dagegen würden bei der Frage eines Entgelts für Zell- oder Gewebespenden die EU-Regelungen nicht ausreichend umgesetzt. Es müsse eindeutig verboten bleiben, den menschlichen Körper oder Teile zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen.

Ethik-Experten bemängelten die Einbeziehung Nichteinwilligungsfähiger, die dem Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen widerspreche. Die evangelische Kirche hatte keine schriftliche Stellungnahme vorgelegt, äußerte aber mündlich Bedenken.

Abgeordnete sprachen sich nach der Anhörung dafür aus, den Gesetzentwurf zu ändern. Michael Kauch, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Transplantationsmedizin, forderte eine komplette Überarbeitung. Die Unionsvertreter Hubert Hüppe und Annette Widmann-Mauz warnten vor Überregulierung, die nicht dem Patientenschutz diene. Wie es hieß, wird es nicht zu einer zeitnahen Verabschiedung des Gesetzes kommen.

Der Entwurf des Gesundheitsministeriums weitet unter anderem das Transplantationsgesetz von 1997 auf Knochenmark sowie auf embryonale und fötale Organe, Gewebe und menschliche Zellen aus.

So sollen aus Organspende-Ausweisen "Organ- und Gewebespenden-Ausweise" werden. Gewebe sollen - anders als Organe
- nach dem Entwurf künftig auch von anderen Personen als Ärzten entnommen werden dürfen, falls dies generell unter ärztlicher Verantwortung und Weisung geschieht.