Tagung: Über den Umgang der Medizin mit Leichen

Angst um die Würde der Toten

Geschichten aus der Gerichtsmedizin haben im Fernsehen Hochkonjunktur. Pathologen sezieren sich reihenweise durch das Abendprogramm. Gleichzeitig stimmen immer weniger Deutsche der Obduktion eines verstorbenen Angehörigen zu. Der medizinische Umgang mit dem Tod und der menschlichen Leiche wirft viele Fragen auf. Bei einem Symposion der Universität Aachen versuchten Soziologen, Medizinethiker und Seelsorger, Antworten zu finden.

 (DR)

"Vorbehalte gegen eine innere Leichenschau"
"Viele Hinterbliebene haben Vorbehalte gegen eine innere Leichenschau", weiß der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, Manfred Dietel. Nur selten stehen religiöse Gründe dahinter. So hätten etwa die christlichen Kirchen keine Einwände gegen solche Untersuchungen. "Es ist häufig eher das Gefühl: Mein Vater hat schon so viel gelitten, jetzt soll er nicht noch aufgeschnitten werden." Auch Medienberichte über Vorfälle, bei denen würdelos mit Toten umgegangen werde, schürten Ängste.

"Oftmals fehlt das Vertrauen in die Mediziner", bestätigt auch die Frankfurter Medizinethikerin Gisela Bockenheimer-Lucius und fordert mehr Transparenz in der Pathologie: "Viele befürchten, dass ihre Organe ohne Zustimmung entfernt werden und in irgendwelchen Reagenzgläsern landen." Ärzte brauchten eine bessere Anleitung, um mit Hinterbliebenen über diese Themen zu sprechen und eine Vertrauensbasis zu schaffen.

Gräberfeld an der Uni
Einen verantwortungsvollen Umgang mit toten Körpern können Mediziner schon im Studium lernen. Neben einer seelsorgerischen Begleitung von Präparationskursen bietet Bockenheimer-Lucius an der Universität Frankfurt ein entsprechendes Seminar an. Die Studenten organisieren hier auch Gedenkfeiern für die Menschen, die ihre Körper für Ausbildungszwecke zur Verfügung gestellt haben. An der Uni wurde zudem ein eigenes Gräberfeld angelegt.

Auch Pfarrer Matthias Missfeldt aus Dortmund hält es für wichtig, medizinisches Personal im Umgang mit verstorbenen Patienten zu schulen. In seiner langjährigen Erfahrung als Krankenhausseelsorger hat er schon einiges erlebt: "Ein Mädchen starb nach schwerer Krankheit, und als die Eltern Abschied nehmen wollten, stellten sie fest, dass jemand ihre langen blonden Haare abgeschnitten und weggeworfen hatte." Für die Trauernden ein zusätzliches Trauma.

"Ein angemessener Umgang mit den Toten ist natürlich immer Voraussetzung", betont Dietel. Der Pathologe wünscht sich ein Gesetz zur Erleichterung der Sektion, um Diagnosen und Therapien zu verbessern. Trotz moderner Untersuchungsmethoden sei heute jede vierte Diagnose falsch: "Ohne eine Obduktion macht der Arzt den gleichen Fehler wieder", gibt er zu bedenken. Deshalb müssten Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen hinter den Bedürfnissen der Gesellschaft zurückstehen.