Bischöfe besuchten Jad Vaschem und erinnerten an den Kölner Kardinal Höffner - Ansprache Lehmanns hier nachhören

"Ohne Parallele in der Geschichte"

Zum Gedenken an die sechs Millionen Opfer der Schoah besuchten die deutschen katholischen Bischöfe Freitag die Jerusalemer Gedenkstätte Jad Vaschem. Dabei legten die Kirchenvertreter auch einen Kranz zu Ehren des früheren Kölner Kardinals Josef Höffner (1906-1987) nieder. Höffner wird in Jad Vaschem wegen seines Einsatzes für eine Jüdin als Gerechter unter den Völkern geehrt. In seiner Ansprache hob Kardinal Lehmann die Bedeutung des Ortes vor:
Für uns Bischöfe aus Deutschland gilt, was Papst Benedikt XVI. in seiner Ansprache im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gesagt hat: "Ich konnte unmöglich nicht hierher kommen. Ich musste kommen."

 (DR)

"Ich habe als Kind die Kristallnacht erlebt. In unserer Straße brannte die Synagoge", erzählt Kardinal Friedrich Wetter. Als er als zehnjähriger Messdiener auf dem Weg zur Frühmesse die Synagoge brennen sah, verspürte er "ungeheure Traurigkeit". Mit 79 Jahren ist der langjährige Erzbischof von München und Freising das älteste Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz. Die Erinnerung an den Morgen des 9. November 1938 begleitet ihn, wenn die 27 Bischöfe bei ihrem Besuch im Heiligen Land am Freitag die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem.

Jad Vaschem, hebräisch für "ein Denkmal und ein Name". Hier sollen Name und Erinnerung eines jeden Toten der Schoah eingeschrieben sein. Da ist die "Halle der Erinnerung" mit ihrer ewigen Flamme, Ort offizieller Kranzniederlegungen. Das auch Staatsmänner zu Tränen rührende "Kinder Memorial" im Gedenken an 1,5 Millionen ermordete Kinder. Das "Tal der Gemeinden" mit Namen von rund 5.000 vernichteten jüdischen Gemeinden. Und seit zwei Jahren führt ein neues Museum durch die Geschichte des Judenhasses und der Schoah.

Wer als Deutscher hierher kommt, ist intuitiv nach seiner Geschichte, Identität und Verantwortung gefragt. Wer als Kirchenmann hierher kommt, sieht sich - ausgesprochen oder nicht - mit der Rolle der Kirche gegenüber Antijudaismus und Judenverfolgung konfrontiert.

Das gilt für Jung und Alt. Reinhard Lettmann war bei Kriegsende zwölf. "Ich weiß noch, wie die Juden zu leiden hatten", erzählt der Bischof von Münster. "Als sie den gelben Stern tragen mussten, haben uns die Eltern gemahnt: Ihr lacht sie nicht aus, und ihr spuckt nicht vor ihnen aus." Einer der jüngeren Bischöfe ist Gerhard Feige aus Magdeburg. Im Jahr 2000 besuchte er Jad Vaschem. Vor allem die Kinder-Gedenkstätte, in der bei unzählbar gespiegeltem Kerzenlicht endlos die Namen und Altersangaben ermordeter Kinder verlesen werden, lässt ihn nicht mehr los. "Das erinnerte mich an einen Besuch in Majdanek in Ostpolen, an die Berge von verwaistem Spielzeug", so der 55-Jährige.

"Mein erster Besuch vor gut 30 Jahren", erinnert sich Gebhard Fürst, "war eine ungeheure Erschütterung. Das Erste ist einfach nur Schweigen." Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart schildert, wie dann der Impuls erwachse, dass man wirklich aus Geschichte lernen müsse. Und Fürst spricht von der Verpflichtung, die Wertschätzung gegenüber dem Judentum auf neue Weise zu erinnern.

Karl Kardinal Lehmann erinnert an Kardinal Höffner: "Ich mache das gerne, ich war schon einmal selber dort, wenngleich auch eher als Einzelner. Ich sehe darin auch ein Bekenntnis dazu, wofür wir insgesamt mitverantwortlich sind und haften. Dass man dazu steht, finde ich einfach wichtig. Es ist eine gute Sache, dass dort jetzt die Gedenktafel für Kardinal Höffner ist, wir haben das nicht gewusst, Höffner hat nie darüber gesprochen, dass er mit seiner Schwester eine jüdische Ärztin und Kinder da versteckt hat."

Jad Vaschem erinnert nicht nur an Juden. In der "Allee der Gerechten" stehen Olivenbäume und Gedenksteine auch für tausende Nichtjuden, die zu überleben halfen. Hier werden die 27 Bischöfe aus dem Land der Schoah ein Blumengesteck niederlegen für Kardinal Joseph Höffner. Der 1987 verstorbene Erzbischof von Köln versteckte als junger Priester mit seiner Schwester eine Jüdin. Höffner ist Beispiel, auch Mahnung. Es gab Kirchenleute, die sich so engagierten. Es blieb die kleine Minderheit. Berlins Kardinal Georg Sterzinsky spricht von der ethischen und moralischen Verantwortung, die aus dem Wissen um die Geschichte erwachse. Und für Wetter zeigt der Besuch das Wissen darum, "dass wir die Last, die auf unserem Volk liegt, auch mit zu tragen haben und uns ihr nicht entziehen".