Rüttgers wirft "mangelnden Realitätssinn" vor - SPD-Linker fordert Rücktritt - das Augsburger Kirchenoberhaupt bekräftigt seine Kritik

Reaktionen auf Bischof Mixas Äußerungen in der Kinderkrippendebatte

Die von Familienministerin Ursula von der Leyen angestoßene Diskussion um die Kleinkinderbetreuung schlägt auch weiterhin hohe Wellen: Im domradio-Interview kritisierte der ehemalige CDU-Fraktionsbeauftragte für Kirchen Hermann Kues die Äußerungen des Bischofs Walter Mixa scharf. NRW-Landesvater Rüttgers warf Mixa mangelnden Realitätssinns vor. Ein SPD-Linker forderte sogar den Rücktritt. - Das Augsburger Kirchenoberhaupt hat unterdessen erneut seine Kritik bekräftigt.

 (DR)

SPD-Linke fordert Rücktritt von Bischof Mixa
Der Sprecher der SPD-Linken in der Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann, hat den Rücktritt des Augsburger Bischofs Walter Mixa gefordert. "Die Denunzierung von Frauen als Gebärmaschinen ist sehr verletzend. Der Bischof muss in sich gehen und zurücktreten", sagte Rossmann der Tageszeitung "Die Welt". Ein hoher katholischer Würdenträger sollte Menschen nicht diskreditieren, die Beruf und Familie vereinbaren wollten.

Die Vorsitzende der Bundestags-Kinderkommission, Marlene Rupprecht (SPD), äußerte sich etwas zurückhaltender. "Bischof Mixa muss sich überlegen, wenn er so wenig die Realität wahrnimmt, ob er für sein Amt noch geeignet ist. Statt an die Kinder denkt er nur an seine Ideologie der Rollenverteilung", sagte Rupprecht. Rupprecht ist die Kinderbeauftragte der SPD Bundestagsfraktion und ebenfalls Mitglied der Parlamentarischen Linken.

Rüttgers: Deutschland ist noch kein kinderfreundliches Land
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers warf Mixa mangelnden Realitätssinn vor. "Was Bischof Mixa sagt, hat leider mit der Realität in unserem Land wenig zu tun", sagte Rüttgers der "Bild am Sonntag". "Für mich ist klar: Deutschland ist so lange kein kinderfreundliches Land, so lange junge Frauen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie versuchen, Familie und Beruf miteinander zu verbinden."

Die Kritik führender Unionspolitiker, die Politik der Familienministerin verwische das konservative Profil der Partei, wies Rüttgers zurück: "Konservativ sein heißt für mich, Familie und Kinder möglich zu machen und zu fördern. Krippenplätze erleichtern die Entscheidung vieler Paare für Kinder." Im Übrigen dürfe nicht übersehen werden, dass "in vielen Familien beide Eltern arbeiten müssen, weil sonst das Einkommen nicht reicht".

Weise: Mehr Beschäftigung durch Kinderbetreuung
Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, forderte die Kommunen dazu auf, mehr für die Kinderbetreuung zu tun, um so mehr alleinerziehende Arbeitslose in Lohn und Brot zu bringen. Weise sagte, eine große Zahl der insgesamt 600 000 arbeitslosen Alleinerziehenden in Deutschland sei nur deshalb arbeitslos, weil die Kinderbetreuung nicht organisiert sei: "Wenn vor Ort die Bedingungen erfüllt wären, könnte man 50 000 oder 60 000 von ihnen in Arbeit bringen", betonte er.

Der BA-Chef erinnerte daran, dass die Organisation der Kinderbetreuung "ein geforderter Beitrag der Kommunen im Rahmen des Arbeitslosengeldes II" gewesen sei: "Sie müssen Schuldnerberatung, Drogenberatung, Kindererziehung organisieren."

Im Streit um die Familienpolitik in der Union mahnte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ilse Falk (CDU), mehr Unterstützung für Familien an, die in der traditionellen Rollenverteilung leben. "Wir müssen auch Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, Angebote machen", sagte Falk. "Auch sie brauchen unter Umständen Beratung und Unterstützung. Auch dafür muss es finanzielle Mittel geben." Falk betonte, sie sehe sich als Mittlerin in der Unionsdebatte um die Familienpolitik. Sie fügte hinzu: "Der Ausbau der Kinderbetreuung ist nötig, aber wir dürfen auch die anderen nicht aus dem Blick verlieren."

Pflüger: "Mixas Äußerungen sind absurd"
CDU-Präsidiumsmitglied Friedbert Pflüger kritisierte Äußerungen des Augsburger Bischofs Walter Mixa zur Politik von Familienministerin von der Leyen scharf. "So sehr ich Bischoff Mixa schätze, so absurd sind seine Äußerungen zu Ursula von der Leyen", sagte Pflüger. Seine Parteikollegin leiste hervorragende Arbeit. "Es geht niemanden in der Union um die Herabwürdigung und Entmutigung von Hausfrauen und Müttern, sondern vielmehr um echte Wahlfreiheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Kindeswohl", betonte Pflüger.

Mixa hatte die Pläne der Bundesfamilienministerin von der Leyen zum Ausbau der Krippenplätze scharf kritisiert. Unter anderem sagte er, wer mit staatlicher Förderung Mütter dazu verleite, ihre Kinder schon kurz nach der Geburt in staatliche Obhut zu geben, degradiere die Frau zur "Gebärmaschine".

Käßmann: "Kann die Kritik in keiner Weise nachvollziehen"
Auch Vertreter der Kirchen reagierten mit Unverständnis auf Mixas Äußerungen: Die evangelische Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, sagte: "Ich kann die Kritik in keiner Weise nachvollziehen, zumal 2013 erst Krippenplätze für jedes dritte Kind zur Verfügung stehen werden.

Auch die christlichen Kirchen sollten alles tun, um Deutschland kinderfreundlich zu machen." Auch Vertreter der katholischen Kirche reagierten reserviert auf Mixas kritische Worte: Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Stefan Vesper, sprach sich für "mehr Ruhe und Sachlichkeit" in der familienpolitischen Debatte aus. "Ich bedaure, dass diese Diskussion jetzt noch emotionaler geführt wird. Mich verwundert diese scharfe Reaktion", sagte er.

Auch bei den Grünen stießen Mixas Äußerungen auf scharfe Kritik. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck nannte die Äußerungen "ein echtes Armutszeugnis". Sie seien "Ausdruck von gesellschaftlicher Realitätsferne". Besonders für junge Frauen, die Beruf, Kinder und Glauben miteinander vereinbaren wollen, seien die Worte des Bischofs "ein Schlag ins Gesicht". Dem Würdenträger fehle es offensichtlich an Respekt vor berufstätigen Müttern. "Bischof Mixa, kehren Sie um und leisten Sie Buße", mahnte der Grünen-Politiker.

Mixa erneuert Kritik
"Wir müssen familiengerechte Arbeitsplätze schaffen und nicht arbeitsgerechte Familien", betonte der Bischof am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Auch seine Wortwahl bei der Kritik an Familienministerin Ursula von der Leyen bereue er nicht. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern müsse in den ersten Jahren auf jeden Fall erhalten bleiben, "weil sonst die Kinder ja geschädigt sind", sagte Mixa und betonte, er bereue seine Wortwahl bei der Kritik an Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht. Seine Äußerung, die geplante staatliche Förderung degradiere Frauen zu "Gebärmaschinen", hatte am Donnerstag heftige Gegenwehr ausgelöst.
Mixa sagte, nach Ansicht von Fachleuten seien Kinder aufgrund der Entwicklung ihrer Hirnzellen in den ersten drei Lebensjahren ganz wesentlich auf dieselben Bezugspersonen angewiesen. Dadurch komme "das Selbstbewusstsein des Kindes im Innersten zum Wachstum und zum Reifen" und das Kind erhalte die Voraussetzungen, um "später selber das Leben zu bewältigen". 86 Prozent der Frauen blieben in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes zu Hause. Diesen Frauen gebühre große Anerkennung.
Mixa sprach sich "selbstverständlich" für Wahlfreiheit aus. Für Alleinerziehende, die wirklich auf einen Nebenverdienst angewiesen seien, müsse das Erziehungsgeld "wesentlich" angehoben werden. Hier könne nicht einfach nach einem Maßstab "mit dem Rasenmäher" über soziale Situationen hinweg gegangen werden, sagte er.