Meisner gegen Seehofer als CSU-Chef

"Wie weit sind wir eigentlich gekommen?"

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner ist dagegen, dass Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer CSU-Vorsitzender wird, falls dieser eine außereheliche Beziehung unterhält. Im Kölner "Express" (Mittwoch) stellte Meisner die Frage: "Wie will er denn dann Vorsitzender einer christlichen Partei werden? Wie weit sind wir eigentlich gekommen?" An das Privatleben öffentlicher Personen dürfen nach Ansicht des Kardinals grundsätzlich besondere Ansprüche gestellt werden, wenn es um Wertevermittlung gehe. Meisner äußerte sich auch zur Begnadigung RAF-Inhaftierter und die Rolle der Mütter in der Gesellschaft.

Kardinal Meisner will Kirchengemeinden reformieren (DR)
Kardinal Meisner will Kirchengemeinden reformieren / ( DR )

Das gelte etwa für einen mehrfach geschiedenen Politiker, der etwas zur ehelichen Treue sage. "Da lachen doch alle", sagte der Erzbischof. Wenn ein Politiker "ein Desaster nach dem anderen" in seiner Familie erlebe, heiße es oft, das Private solle ausgeblendet werden. Dazu Meisner: "Warum? Haben wir es denn bei ihm mit zwei verschiedenen Menschen zu tun? Oder ist er eine gespaltene Persönlichkeit? Dann ist er schizophren und gehört zum Arzt, aber nicht auf einen Ministersessel."

Meisner kritisierte ein Familienverständnis, nach dem "Familie da ist, wo Kinder erzogen werden". Die Ehe bleibe außen vor. "Dabei ist die Ehe die Quelle für die Familie, und entsprechend soll sie auch von den Eheleuten gepflegt und frisch gehalten werden", so Meisner.

Mutterschaft als Beruf anerkennen
In dem Interview fordert der Kölner Kardinal eine Anerkennung der Mutterschaft als Erwerbsberuf. Die vielfältige Arbeit von Müttern müsse sich im Portemonnaie und in der Rente niederschlagen. "Die Mutter ist eine wahre Multifunktionärin", so der Erzbischof. Das müsse mehr Anerkennung finden.

Zugleich beklagte Meisner ein verbreitetes Misstrauen gegen die Institution Familie. Müttern werde "eingeredet", dass sie sich ohne Berufstätigkeit nicht selbst verwirklichen könnten. Das habe er bereits in der DDR erlebt. "Jetzt redet man den Frauen das wieder ein, als wenn Geldverdienen alles wäre."

Mit Blick auf Ganztagsbetreuung und Krippenplätze sagte der
Kardinal: "In der Bibel ist die Krippe ein Provisorium. Wir haben eine ständige Einrichtung daraus gemacht, in die Kinder kurz nach dem Wochenbett oder im ersten Lebensjahr ausgesetzt werden." Dabei erhielten Jungen und Mädchen, die in einer intakten Familie aufwüchsen, soziale Verantwortung für ihr Leben. Meisner wörtlich: "Die müssen sicher nicht so oft zum Psychiater laufen."

"Kinder fallen nicht vom Himmel"
Der Erzbischof bezeichnete Ehe und Familie als "Grundkonstanten der Schöpfung", durch die der Bestand der Gesellschaft gesichert werde. Das scheine vielen nicht mehr klar zu sein. "Kinder fallen nicht vom Himmel. Sie werden gezeugt und geboren in eine Gemeinschaft von Menschen", unterstrich Meisner.

Ex-Terrorist Klar soll Reue zeigen
Der frühere RAF-Terrorist Christian Klar sollte nach Ansicht Meisnern nur begnadigt werden, wenn er Reue zeigt. Reue sei zwar keine Kategorie des Strafrechts, aber eine Kategorie echter Menschlichkeit: "Darum erwarte ich Reue als Bedingung auch für eine Begnadigung im juristischen Sinn."

Klar war an den Morden an Hanns-Martin Schleyer, Siegfried Buback und Jürgen Ponto beteiligt und hatte vor einigen Jahren beim damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau ein Gnadengesuch eingereicht. Dessen Nachfolger Horst Köhler hat noch nicht über eine Begnadigung entschieden.