Nobelpreisträger Pamuk sagt nach Morddrohungen Deutschland-Reise ab - Islamrat bedauert Entscheidung

Trauriger Tag für die Meinungsfreiheit

Der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk hat nach Morddrohungen eine geplante Deutschland-Reise abgesagt. Nach dem Mord an dem türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink sehe sich Pamuk konkret gefährdet, berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger am Mittwoch unter Berufung auf den deutschen Verlag des Schriftstellers. Der mutmaßliche Drahtzieher des Mordes an Dink habe Pamuk erst vor wenigen Tagen vor einem türkischen Gericht indirekt bedroht mit den Worten: "Orhan Pamuk, seien Sie clever!" Der Islamrat hat mittlerweile sein Bedauern über die Absage geäußert.

 (DR)

Der 54-jährige Pamuk sollte eigentlich am Freitag in Berlin die Ehrendoktorwürde der Freien Universität erhalten. Außerdem waren Auftritte in Köln, Hamburg, Stuttgart und München geplant. Deutsche Politiker reagierten bestürzt auf die Absage der Deutschland-Reise. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), forderte die Regierung in Ankara auf, die Meinungsfreiheit in der Türkei durchsetzen.

"Die Drohungen gegen Hrant Dink sind offensichtlich nicht ernst genug genommen worden", sagte Polenz der Zeitung. "Man kann jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen nach dem Motto: Dann macht Herr Pamuk seine Lesereise eben woanders hin." Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, zeigte sich bedrückt, "dass ein Schriftsteller um sein Leben fürchten muss und dass das in der Türkei passieren kann". Pamuk sei in Deutschland herzlich willkommen "und wir tun das Menschenmögliche, um seine Sicherheit hier zu gewährleisten".

Muslime in Deutschland zur Solidarität aufgerufen
Der Kölner Schriftsteller Ralph Giordano rief die Muslime in Deutschland zu Solidarität mit Pamuk und zu Protesten gegen die Morddrohungen auf. Sie müssten nun «glaubwürdig und nachhaltig dokumentieren, dass ihnen Freiheit und Menschenwürde am Herzen liegen, und dass der Terror, der aus dem Islam kommt, auch ihr Feind ist», sagte Giordano dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Islamrat bedauert Absage
Der Vorsitzende des Islamrates, Ali Kizilkaya, bedauert die Absage der Deutschlandreise Pamuks. "Ein Nobelpreisträger, der nicht reisen kann, ist etwas Bedauerliches", sagte Kizilkaya der Nachrichtenagentur ddp am Mittwoch. Er wisse nicht, wie real die Gefährdung sei, der sich Pamuk in Deutschland offenbar ausgesetzt sehe. Dies könnten nur die Sicherheitsbehörden einschätzen. Aber "es geht um sein Leben" und "da kann man nicht vorsichtig genug sein", betonte Kizilkaya.

Der Vorsitzende des Islamrates appellierte jedoch an den türkischen Schriftsteller, zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland zu kommen. "Freiheit darf sich nicht durch Drohungen einschränken lassen", sagte er.

Pamuk hatte im Herbst als erster Türke den Literatur-Nobelpreis und im Jahr zuvor den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Er setzte sich ebenso wie sein kürzlich in Istanbul ermordeter Freund Hrant Dink dafür ein, dass die Türkei den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs anerkennt. Pamuk und Dink standen wegen ihrer Äußerungen, die als "Beleidigung des Türkentums" ausgelegt wurden, in der Türkei vor Gericht.