Presseschau vom 4.7.2006 zur Gesundheitsreform

"Großes versprochen, Kleines geliefert"

"Ergebnis hätte früher vorliegen können" (Frankfurter Allgemeine Zeitung)Spötter werden sagen, in dieser Koalition ergäben - wie bei der Mehrwertsteuer - eins und eins immer drei. Auch in der Gesundheitspolitik werden nun die Probleme dadurch gelöst, daß weder die Arbeitgeberbeiträge eingefroren noch die Kinderprämien sofort aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden.

 (DR)

"Ergebnis hätte früher vorliegen können" (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Spötter werden sagen, in dieser Koalition ergäben - wie bei der Mehrwertsteuer - eins und eins immer drei. Auch in der Gesundheitspolitik werden nun die Probleme dadurch gelöst, daß weder die Arbeitgeberbeiträge eingefroren noch die Kinderprämien sofort aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden. Statt dessen wird das Beitragsaufkommen, ganz klassisch, erhöht, um die Mehrausgaben im Gesundheitswesen zu decken. Dieses Ergebnis hätte die Koalition schon im November in ihren Vertrag schreiben können. Dann wäre auch der Fonds als zauberhaftes und wahrscheinlich teures Allheilmittel nicht nötig gewesen - er wurde ja nur erfunden, um Fortschritte bei der Reform zu beweisen. So hätten sich Politiker und Bürger viel Mühe und Aufregung erspart....

"Großes versprochen, Kleines geliefert" (Süddeutsche Zeitung)  
Die große Koalition hat den Menschen Großes versprochen, aber nur Kleines geliefert. Union und SPD wollten das Gesundheitssystem von Grund auf ändern, nun ändert sich wenig. Sie wollten die Kassenbeiträge senken und die Steuern erhöhen, stattdessen erhöhen sie beides. Sie wollten den Wettbewerb zwischen den Kassen forcieren, nun schützt die eine Volkspartei die gesetzlichen Kassen und die andere die privaten. Dies ist nicht die Politik aus einem Guss, die Angela Merkel versprochen hat, dies ist klebriger Zuckerguss. Und er schmeckt nicht anders als zu Zeiten von Helmut Kohl und Gerhard Schröder.

"Widersprüchliche Reformbauteile" (Financial Times Deutschland)
Die große Koalition hat ihr lange angekündigtes Meisterstück vorgelegt. Gäbe es noch irgendeine wirksame politische Kontrollinstanz im Land, deren Urteil müsste eindeutig sein: So geht es nicht. Durchgefallen! Die seit Monaten vorbereitete große Gesundheitsreform, das innenpolitische Schlüsselprojekt der Kanzlerin, erweist sich als ein Sammelsurium von widersprüchlichen Reformbauteilen, die am Ende im Kraftakt einer elfstündigen Nachtsitzung zusammengenagelt wurden. Wohin das Gesundheitssystem langfristig steuert, ist auch nach diesem Kompromiss unklar. Fest steht allein, dass kurzfristig abkassiert wird - und zwar munter nach der Devise: Was schert uns unser Geschwätz von gestern.

"Bittere Niederlage" (Die Welt)  
Bürger, es wird noch teurer: So viele Hirne haben sich so viele Stunden die Köpfe zermartert - und herausgekommen ist wieder nur der Griff in die Taschen der Bürger. Nun steigen statt der Steuern die Beiträge. Der Effekt ist derselbe. Alle zahlen ab Januar höhere Krankenkassenbeiträge, ohne dafür bessere Leistungen zu bekommen. Das ist eine bittere Niederlage bei einem Projekt, das ursprünglich als das größte Reformwerk der großen Koalition angekündigt wurde. Sie ist Angela Merkel persönlich zuzuschreiben. Viel zu lange hat sie die Diskussion laufen lassen, ohne sie inhaltlich zu formen. Erst in letzter Sekunde hat die Kanzlerin noch größeren Schaden in Form einer neuerlichen Steuererhöhung mit einem Machtwort abgewendet. Lob darf sie dafür nicht erwarten. Das werden die Unionsministerpräsidenten für sich einfordern. Schon jetzt argumentiert der bayerische Regierungschef Edmund Stoiber, nur seiner und der Intervention seiner Amtskollegen sei zu danken, dass es doch nicht zu Steuererhöhungen gekommen sei. Keine Frage, die Länderfürsten werden für Merkel zunehmend ungemütlichere Partner werden. Das gilt noch viel mehr für die Sozialdemokraten. Sie waren es, die massivste Steuererhöhungen forderten, die vor allem Gutverdiener und Privatversicherte belasten sollten. Und sie müssen ihrer Klientel nun erklären, dass statt dessen wieder die Beiträge für alle steigen werden. Das werden die Sozialdemokraten Merkel heimzuzahlen versuchen. Und zwar da, wo sie immer gut sind - in den parlamentarischen Beratungen. Zu befürchten ist deshalb, dass die wenigen wettbewerblichen Elemente dieser Reform - Kopien der Arztrechnungen für die Versicherten, Fallpauschalen auch für niedergelassene Ärzte, freiere Verhandlungen zwischen Kassen und Medizinern - im Gesetzgebungsprozess geschliffen werden. Merkel steht ein Sommer des Mißvergnügens bevor.

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung