Ministerin Schmidt warnt vor Übertreibungen

Mehr als zehntausend Ärzte demonstrierten in Berlin

Mehr als zehntausend Ärzte haben am Mittwoch vor dem Bundesgesundheitsministerium in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung demonstriert.

 (DR)

Mehr als zehntausend Ärzte haben am Mittwoch vor dem Bundesgesundheitsministerium in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung demonstriert. Rund 40 ärztliche Fachverbände hatten zu dem bundesweiten «Tag der Ärzte» aufgerufen.

Mehr als die Hälfte der Praxen blieb laut Schätzungen des NAV-Virchow-Bundes infolge der Proteste geschlossen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) räumte in einer Stellungnahme Probleme ein, warnte die Ärzte aber vor Übertreibungen.

«Heilen statt verteilen», «Weg mit der unerträglichen Bürokratie» und «Geld weg - Arzt weg», hieß es auf Transparenten bei der Kundgebung. «Alle Spritzen stehen still, wenn unser starker Arm es will», skandierten die Demonstranten.

Bundesärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe beklagte eine «jahrelange Anti-Ärzte-Politik». Die Ärzte hätten genug von unmenschlichen Arbeitsbedingungen und unbezahlter Mehrarbeit.

Deutschland: «Wenn es hier nicht noch mehr arztfreie Zonen geben soll, dann muss sich im Verständnis der Gesundheitspolitik und auch im Umgang mit uns Ärzten einiges grundlegend ändern.»

Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, betonte, Ärzte seien hochflexibel und hätten in den zehn vergangenen Jahren ihre Produktivität stark gesteigert. Dennoch seien «eingefrorene oder sinkende Budgets», «Krankenkassenbürokratie» und «Arbeitgeberwillkür im Krankenhaus» der Lohn für ihre Arbeit. Wer Ärzte benachteilige und demotiviere, müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, Patienten in Gefahr zu bringen, warnte der Gewerkschaftsvorsitzende.

Gesundheitsministerin Schmidt erklärte, es sei richtig, dass einige Ärzte finanziell mit dem Rücken zur Wand stünden. Diese Mediziner könnten sich ihrer Unterstützung sicher sein. «Es muss aber deutlich sein, für Honorarverteilung und bürokratische Auswüchse kann man nicht die Bundesregierung an den Pranger stellen.» Dies sei Sache der Ärzte und der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle bezeichnete die Ärzteproteste als richtig. «Wer den Ärzten die Luft abdrückt, trifft vor allem die Kranken», sagte er. Er forderte die Bundesregierung zu einer zügigen Gesundheitsreform und zu mehr Wettbewerb unter den Krankenkassen auf.

Der Kostendruck im Gesundheitswesen lasse sich ohne einen kompletten Systemwechsel hin zu mehr Wettbewerb durch mehr Wahlfreiheit der Versicherten nicht beseitigen. Der größte Preistreiber bei der Gesundheitsversorgung sei «das kaputte System», so der FDP-Chef.

Der Obmann der Grünen im Gesundheitsausschuss des Bundestages, Harald Terpe, sagte, die hohen bürokratischen Belastungen der Mediziner seien bekannt. Auch stecke ein erheblicher Teil der Ärzte in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Zugleich mahnte Terpe:

«Die protestierenden Ärzte müssen aber wissen, dass auch ihre eigenen Selbstverwaltungsgremien und Funktionäre in der Verantwortung stehen, über Bürokratie und Honorarverteilung mit den Kassen zu verhandeln.»

Kritik kam von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die Ärzte demonstrierten für höhere Einkommen, während ihre Angestellten, die nur einen Bruchteil des Arzteinkommens verdienten, die Protestzeit unentgeltlich nacharbeiten sollten, sagte Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke. «Das verstößt gegen alle guten Sitten und offenbart eine regelrechte Gutsherrenmentalität», sagte sie.