HÖRFUNK/ In der Erzdiözese Köln startet an Pfingsten das „Domradio"

Draht nach oben

Am Rhein gilt künftig die Devise: Der liebe Gott hört alles, auch Radio. Mit viel Infos, Bildung, Beratung und natürlich Liturgie geht's on air.

 (DR)

Von wegen verstaubter Verkündigungssender, von wegen stickige Studioatmosphäre. Ingo Brüggenjürgen lehnt sich zurück und lässt seinen Bück vom Mischpult aus schweifen: vis-ä-vis der Kölner Dom, tief unten die Domplatte. Großstadttreiben. „Ein Traumarbeitsplatz, nicht wahr?" Im Zimmer weiter sitzt - nicht ganz so idyllisch - die Nachrichtenredaktion. Auf flimmernden Monitoren laufen Weltgeschehnisse ein. Konzentriert ist die Atmosphäre jetzt, doch ohne Anspannung: Noch ist nicht Pfingstsonntag. Aber natürlich weiß das Team um Chefredakteur Brüggenjürgen, dass der 11. Juni naht. Und dass man sehr genau schauen, korrekter: hören wird, was sie da in Köln wohl produzieren.
Ein Kirchenradio. Ein Domradio für Köln und seine Diözese. Die Skeptiker sagen, jetzt muss die Kirche auch noch Rundfunk machen. Die Befürworter - sie sind in der Mehrzahl -halten dagegen: „Der liebe Gott hört alles, auch Radio." Für Erwin Müller-Ruckwitt, den Leiter der Hauptabteilung Bildung und Medien des Erzbistums, ist es keine Frage: „Rundfunk ist ein modernes, attraktives Medium. Wir dürfen es nicht brachliegen lassen."
24-Stunden-Vollprogramm
Davon kann in Köln schon vor der Zeit des Domradios keine Rede sein. Im Privatrundfunk ist die Diözese seit zehn Jahren mit Sendungen präsent. Nur genug erschien das den Verantwortlichen nie. Dann kam das Domjubiläum 1998. Und mit ihm die Probe
aufs Exempel: Während der 14-tägigen Hauptfeier präsentierten die Kölner das „Veranstaltungsradio", ein 24-Stunden-Vollprogramm unter Ernstfallbedingungen. „Der Erfolg war enorm", erinnert sich Müller-Ruckwitt, „die Radiosendungen kamen bestens an." Chefredakteur Brüggenjürgen, katholischer Theologe und 38 Jahre alt, nickt und weiß dabei wohl, welche Aufgabe auf ihn und seine Redakteure zukommt: Dauerbetrieb - das ist etwas anderes, als zwei Wochen zu senden.
Vom Konkurrenzkampf der Sender ganz zu schweigen. Die Frage liegt auf der Hand: Warum sollte jemand heute Kirchenradio hören wollen, da auch in Köln sich die Kirchenreihen lichten? „Wir haben drei Zielgruppen im Auge", sagt Müller-Ruckwitt, „die kirchlich hoch Sozialisierten, die locker verbundenen kölschen Katholiken und die Distanzierten, die Kirche trotzdem als ernst zu nehmende Stimme bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung ansehen." Joachim Zöller, Abteilungsleiter Medien des Bistums, fügt hinzu: „Wir wollen eine Alternative sein. Wir bereiten Themen anders auf, senden zuverlässige Informationen aus Kirche und Welt. Wir spielen gute Musik."
Die muss Zugpferd sein. Denn Hörer wählen heute - hinlänglich bekannt -ihr Radioprogramm nicht zuerst nach Inhalten, sondern nach Musikpräferenzen. „Soft-AC" heißt im Fachjargon, was die Kölner spielen: Rock und Pop in sanften Tönen, Elton John, Reinhard Mey - eine Klangfarbe, die in Nordrhein-Westfalen kaum zu hören ist. Und dann ist da ja auch noch der Generalvikar. Spontan hat Norbert Feldhoff signalisiert, für das Domradio seinen CD-Schrank zu öffnen. „Ein Klassik-Schatzkästchen", schwärmt Brüggenjürgen. Und kündigt den Kirchenmann als Moderator an. Als Prediger und Zelebrant wird Feldhoff ohnehin zu hören sein - Liturgieübertragungen sieht das Programm regelmäßig vor.
Am Ende also doch ein Verkündigungssender? Nein, sagen die Verantwortlichen, nicht im engen Sinn. „Wir senden selbstverständlich die authentische Stimme der Kirche, aber eben nicht nur Verlautbarungen des Kardinals. Bei uns soll das kirchliche Leben zu Wort kommen - in seiner ganzen Breite." Ein spannender Anspruch, den der Chefredakteur formuliert. Aber er lässi keinen Zweifel daran, dass er dieses Konzept umsetzen will. Rückendeckung aus dem Ordinariat hat er.
Um Pluralität sicher zu stellen, ist nicht die Erzdiözese die Trägerin des Senders, sondern das Bildungswerk. Diese Tatsache hat auch die rundfunkrechtliche Lizenzvergabe erleichtert: Kirchliche Verkündigungssender im engeren Sinn sind in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unzulässig. Und die weiteren Programmschwerpunkte? „Information, Beratung und Bildung", sagt Joachim Zöller. Und: „Interaktiv soll es zugehen." „Wir machen hier nichts zum Selbstzweck. Wir wollen Radio für die Menschen sein", fügt Müller-Ruckwitt an.
Die zeigen sich in ersten Reaktionen interessiert. „Ne juute Sach", sagt ein Urkölner am Heumarkt. Andere geben sich skeptischer: „Ich höre schon immer WDR 2." Ähnlich ist es in den anderen deutschen Diözesen: Man blickt auf die Kölner und ist gespannt, was das wohl werden wird. Dass nicht nur Euphorie aufkommt, liegt mit an der bisherigen Linie der Publizistischen Kommission der Bischofskonferenz. Medienbischof Hermann Josef Spital ist bekannt für seine Nähe zu den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Doch auch er weiß, dass eine Entwicklung, wie sie sich am Rhein abzeichnet, - nicht aufzuhalten ist. Ohnehin gibt es »in der Bischofskonferenz seit kurzem eine vorsichtige Neuorientierung, miz Blick auf neue Medien. .Andere Diözesen sind in Wartestellung", berichtet Ingo Brüggenjürgen. „Manche haben auch schon vorbeigeschaut und gefragt: „Wie geht das eigentlich technisch?" Sagt's und vergisst nicht anzufügen: „Wir sind Trendsetter."
UKW-Frequenzen fehlen
Dem freilich noch die UKW-Frequenzen fehlen. Das ist die Achillesferse. Über Satellit von oben europaweit und per Kabel in 2,4 Millionen Haushalten der Diözese empfangbai -aber nicht im Autoradio und nicht mit dem Transistorgerät beim Autowaschen. Dass terrestrische Frequenzen das A und O sein werden, weiß man in Köln. Brüggenjürgen: „Es ist klar, wo wir hinmüssen." Dann blickt er von seinem Traumarbeitsplatz hinüber zum Dom: „Als sie den gebaut haben, wurde mit dem Chor begonnen und trotzdem schon Gottesdienst gefeiert, obwohl das gotische Gotteshaus längst nicht fertig war. Wir fangen jetzt eben über Kabel an."