Kapitelsamt aus dem Kölner Dom - Predigt hier nachhören

22. Sonntag im Jahreskreis

domradio übertrug am 22. Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt aus dem Hohen Dom zu Köln. Zelebrant und Prediger war Domkapitular Dr. Robert Kümpel. Die musikalische Gestaltung übernahm der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling. Der Chor sang die "Missa pro pueris et puellis" von Christian Matthias Heiß. An der Orgel hörten Sie Domorganist Winfried Bönig.

 (DR)

Wortgottesdienst
Eine der schlimmsten Erfahrungen ist es, gedemütigt zu werden. Ein Kind muss in seiner Würde geachtet werden, sonst kann es sich nicht gut entwickeln, und Jugendliche fordern: „Respekt!" In unserem Alltag ist es aber oft so, dass das Ansehen des einen auf Kosten des Ansehens des anderen erreicht wird. Häufig finden wir uns in Rangfolgen wieder, in denen ein Verdrängungswettbewerb stattfindet. Für Christen müsste dieser Wettbewerb nicht mehr notwendig sein, um Ansehen zu gewinnen. Denn Gott hat uns einen Platz weit über all diesen Rangstufen bereitet.

Erste Lesung
Die Ratschläge in diesem Buch zeugen von Lebenserfahrung. Hier empfiehlt ein Autor eine möglichst bescheidene Haltung, weil sie bei Gott und den Menschen beliebt mache. Damit ist aber keine Kriecherei gemeint. Das Gegenteil der Demut, um die es hier geht, ist der Übermut. Übermut, das bedeutet nicht übersprudelnde Lebensfreude, sondern die Haltung eines Menschen, der aus der Gewissheit eigener Macht heraus meint, sich nicht an zwischenmenschliche Regeln und Gesetze halten zu müssen und Schwächere gnadenlos ausnutzt. Bescheiden ist, wer seine Macht oder Fähigkeit in den Dienst einer guten Sache stellt, weil er weiß, dass seine Kräfte Gaben - also Geschenke - sind. Es ist auch eine praktische Erfahrung, dass wirklich große Menschen oft ganz bescheiden sind.

Zweite Lesung
Zunächst erinnert der Hebräer-Brief an die Situation beim Bundesschluss am Sinai: Israel stand an dem Berg, auf dem Mose mit Gott sprach. Hier hatte sich der Unterschied zwischen Gott und Mensch gezeigt: Wenn der Mensch, so wie er ist, vor Gott gerät, erschrickt er; kommt er ihm zu nahe, muss er sterben. Kein Wunder, dass die Menschen in Angst geraten. Am Sinai hat Gott die Begegnung mit Schutzmaßnahmen ermöglicht. Und wenn dieses Großartige schon erschreckend war, ist es geradezu unfasslich, was jetzt wirklich werden soll: Gott ruft die Menschen zum Zion, er zählt die Getauften zu den Erstgeborenen, sie gehören gleichsam zu seinem Hofstaat. Der Hebräer-Brief macht die Ungeheuerlichkeit des Angebots deutlich, das Gott uns durch Jesus macht.

Evangelium
Bei allen Reibereien: Jesus hat auch gute Kontakte zu Pharisäern, ihrer Lehre steht er in manchem durchaus nahe. Bei einer Essenseinladung gibt er einen Ratschlag, der zunächst ganz praktisch ist: Wenn du in Gesellschaft zu viel Ehre für dich beanspruchst, könnte sich jemand gezwungen sehen, dich zurückzusetzen - und das wäre für beide Seiten peinlich, für dich auch beschämend. Wenn du dagegen zunächst eher bescheiden auftrittst, kann sich deine Position nur noch verbessern.
Dann aber wird er im Gespräch mit seinem Gastgeber prinzipieller: Wir wollen alle gerne zu den Angesehenen gehören. Deshalb laden wir respektable Leute ein und hoffen auf eine Gegeneinladung. In manchen unserer gesellschaftlichen Aktivitäten sind wir nicht einfach nett, sondern berechnend. Jesus fordert uns auf, gastlich zu sein, auch wenn es sich nicht für uns auszahlt.