Ordensschwestern in Hannover nehmen Asylbewerberinnen auf

In guten Händen

Flüchtlingen Schutz und Obdach gewähren - die Schwestern der Congregatio Jesu in Hannover haben Ernst gemacht mit diesem christlichen Anspruch.

Autor/in:
Michael Lukas
Konkrete Hilfe (KNA)
Konkrete Hilfe / ( KNA )

Die Geruchsgrenze verläuft auf dem Weg zum dritten Stock. Gerade hatte der Besucher noch die gutbürgerliche Küche der Schwestern in der Nase, da mischen sich plötzlich exotische Gewürze in den Essensduft. Es ist früher Nachmittag, und die Frauen im dritten Stock der Ordensniederlassung haben wie immer selbst gekocht. Jetzt entspannen sich Rosemond und ihr zweijähriger Sohn Gabriel beim Spiel mit Schwester Maria Glockann im Aufenthaltsraum des ehemaligen Gästetraktes der Kommunität. Ihre zwei älteren Söhne musste die 33-Jährige in Ghana zurücklassen. In wenigen Wochen wird sie wohl eine Tochter gebären.

Rosemond lebt hier mit zwei weiteren Frauen aus Ghana und einer Nigerianerin. Alle afrikanischen Frauen im Alter von 29 bis 39 Jahren sind schwanger oder waren es, als sie nach Deutschland kamen. Neun Kinder haben sie insgesamt. Jede Familie bewohnt ein Zimmer. Das Zusammenleben ist gut, man hilft sich gegenseitig. Eine Zugehfrau erleichtert die Arbeit, Nachtwächter sorgen von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr für Sicherheit, und Olga Lorenz, eine junge Sozialarbeiterin der Caritas Hannover, ist ebenfalls regelmäßig hier in der Hildesheimer Straße. Sie hilft den Frauen bei Behördenangelegenheiten und regelt alle rechtlichen Angelegenheiten.

Denn eines ist klar: Die Unterkunft bei den sogenannten Englischen Fräulein kann nur eine Übergangslösung sein. Sobald die jungen Mütter eine Aufenthaltserlaubnis haben, sollen sie eine eigene Wohnung für ihre kleinen Familien bekommen. Was will Rosemond dann unternehmen? Die hochschwangere Asylbewerberin lächelt scheu. Friseurin ist sie in ihrer Heimat gewesen. Vielleicht kann sie hier wieder in ihrem alten Beruf arbeiten. Viel spricht sie nicht.

Der Glaube der Flüchtlinge spielt keine Rolle

"Wir fragen die Frauen nicht aus", sagt Schwester Monika Glockann, Oberin der fünfköpfigen Schwesternkommunität. Man kann nur erahnen, was die Afrikanerinnen in ihrer Heimat durchgemacht haben und mit welchen körperlichen oder seelischen Verletzungen sie nach Deutschland kamen. "Das Bild von Frauen ist in Ghana ein ganz anderes als bei uns", deutet die Oberin an. Für sie und ihre Mitschwestern zählt jetzt die konkrete Hilfe. "Welche Fluchtgründe bei den Frauen dahinter stehen, interessiert uns nicht. Wir sind keine Moralapostel." Seit April beherbergen die Schwestern junge Asylbewerberinnen und deren Kinder im dritten Stock ihres Hauses.

Auch der Glaube der Flüchtlinge spielt keine Rolle. Einige sind wohl Christinnen und nehmen gelegentlich an den Gottesdiensten in der Herz-Jesu-Kapelle teil. Taufanfragen hat es jedenfalls schon gegeben. Keine Frage: Es ist lebhafter geworden im Haus. "Das schadet uns Ordensfrauen aber keineswegs", lacht Schwester Monika.

Damit ist aus einer Vision Realität geworden. Am Anfang stand ein Fernsehbericht über syrische Flüchtlinge im Herbst vergangenen Jahres. Das Bild eines syrischen Kindes war Schwester Monika, selbst Tochter sudetendeutscher Flüchtlinge, "mitten ins Herz gefallen". Nach einem mehrmonatigen Beratungsprozess und kleineren Umbauten im Haus konnten dann im April die ersten Asylbewerberinnen kommen. Der ehemalige Gästetrakt der Schwestern hat heute offiziell den Status eines Flüchtlingswohnheims der Caritas. Und den Segen des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle, der auch die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz leitet. "Es sind die Zeichen und Werke der Barmherzigkeit, die Hoffnung spenden - zum Beispiel, wenn Schwestern ihre Räume mit Menschen auf der Flucht teilen", sagte Trelle bei der Segnung der Räume Mitte Juni.

Vorerst ist das Projekt versuchsweise auf ein Jahr begrenzt. Im Herbst wollen die Schwestern über eine Weiterführung beraten. Doch wer Schwester Monika im Spiel mit dem kleinen Gabriel erlebt, der ahnt: Hier werden auch in Zukunft noch Mütter mit ihren Kindern eine sichere Zuflucht finden.


Quelle:
KNA