Theologisches Institut bietet "Spiritual Gardening"-Projekte

Der Mensch als Mitgeschöpf

Die Bewahrung der Schöpfung ist eine der wichtigsten Aufgaben im Christentum und Grundlage für das "Spiritual Guardening" des Instituts für theologische Zoologie in Münster. Es verknüpft theologische Fragen mit Praktischem.

Spiritual Gardening: Die Natur als Mitwelt verstehen (shutterstock)
Spiritual Gardening: Die Natur als Mitwelt verstehen / ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was können wir uns unter "Spiritual Gardening" vorstellen?

Dr. Rainer Hagencord (Leiter des Institutes für Theologische Zoologie in Münster): Papst Franziskus hat sich dem Thema Umwelt 2015 mit seiner Enzyklika "Laudato si" gewidmet und zwar nicht in einer romantischen und romantisierten Weise, sondern - schon der Auftakt macht es deutlich - der Papst sagt, dass "unsere Schwester Erde" aufgrund unseres Missbrauchs leidet. Also, Papst Franziskus hat 2015 zusammen mit Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern eine Schöpfungs-Theologie entwickelt, die relevant ist auch für unsere Zeit.

Dr. Rainer Hagencord, Leiter des Instituts für Theologische Zoologie an der Universität Münster

"Wir sehen uns da als Gärtner und Gärtnerinnen. Das ist die Funktion des Menschen."

Im Institut arbeiten wir schon seit 2008 zu diesem Thema, auch in dieser Weise. Und die Enzyklika war dann der letzte Aufschlag, um ein Projekt zu entwickeln, das wir "Spiritual Gardening" genannt haben. Wir haben verschiedene Formate entwickelt. Die Grundlage ist eine andere Auffassung, die Natur als unsere Mitwelt zu verstehen.

Dr. Rainer Hagencord, Institut für Theologische Zoologie in Münster / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Dr. Rainer Hagencord, Institut für Theologische Zoologie in Münster / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wenn man nach "Spiritual Gardening" in Münster im Internet sucht, stößt man schnell auf ein sehr umfangreiches Programmheft. Was geben Sie den Menschen denn an die Hand?

Hagencord: Wir halten uns da an drei Grundfragen. Akademisch gesprochen geht es um die anthropologische, die ethische und die theologische Frage, die sich durchzieht durch unsere Formate. Anders formuliert - die Fragen lauten: Wie verstehen wir uns als Mensch im Gesamt der Schöpfung? Wie wollen wir auf dieser Erde leben? Und: An welchen Gott wollen wir glauben? Diese drei Fragen bzw. die damit verbundenen Antwortversuche durchziehen unsere Programme.

Wir sagen, dass wir uns mehr als Mitgeschöpf verstehen wollen und nicht als vom Himmel gefallen. Das ist die anthropologische Dimension. Die ethische Dimension sagt: Wir wollen mit allen Geschöpfen auf Augenhöhe leben und nicht mehr als Herr oder Herrin auftreten. Und die theologische Grundlage ist, dass wir uns der göttlichen Wirklichkeit aufschließen wollen inmitten der natürlichen Mitwelt. Wir gehen diesen Fragen immer interdisziplinär nach. Wir haben in Münster mit dem NABU zusammengearbeitet. In anderen Projekten arbeiten wir mit der Landschaftsökologie zusammen oder der Fachdidaktik der Biologie. Und wir gehen das Ganze interreligiös an. Wir haben verschiedene Formate, in denen auch jüdische und muslimische Expertise vorkommen.

DOMRADIO.DE: Beim "Spiritual Gardening" gibt es ja Formate für Jung und Alt. Es richtet sich zum Beispiel auch an Firmlinge. Wie sieht denn konkret so ein Workshop zur Firm-Vorbereitung aus?

Enzyklika "Laudato si"

Klimawandel, Artenvielfalt, Trinkwasser: Diese Themen bestimmen die Umweltenzyklika von Papst Franziskus. Er wendet sich damit an "alle Menschen guten Willens" - und erklärt, warum eine ökologische Umkehr auch soziale Gerechtigkeit bedeutet. Papst Franziskus hat die reichen Industrienationen zu einer grundlegenden "ökologischen Umkehr" aufgefordert, um globale Umweltzerstörung und Klimawandel zu stoppen.

Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Hagencord: Wir gehen diesen Fragen zunächst mal nach, mit Firmlingen geht das ja nochmal anders als mit Erstkommunionkindern. Auch eine theologische Grundlage wird erarbeitet, natürlich auch spielerisch und mit sehr vielen Übungen. Das heißt, wir haben Formate, in denen es immer einen Input gibt von den genannten Fachleuten, und dann gibt es Übungen. Was für viele Jugendliche ungewohnt ist - was wir als Wahrnehmungs-Übungen beschreiben - ist, zum Schweigen zu kommen, wahrzunehmen, ganz achtsam zu werden für Grundhaltungen. Das müssen wir in den Firm-Vorbereitungen an vielen Stellen neu etablieren, weil viele Jugendliche das überhaupt nicht kennen - alleine zu sein, zu schweigen, wachsam zu sein.

Der Kapuziner-Klostergarten ist insofern dafür prädestiniert, weil er sehr, sehr abwechslungsreich ist. Wir haben vom Friedhof bis zur Bienenwiese ja alles da. Das heißt, die verschiedenen Lebensräume von Pflanzen und Tieren laden geradezu dazu ein, eben mal nicht zu reden und nicht zu sprechen und zu plappern. Dann machen wir manchmal auch etwas sehr Praktisches - zum Beispiel mit dem NABU zusammen das Bauen von Nistkästen. Da haben wir dann beides drin: Wir haben auf der einen Seite das große Thema Beheimatung. Also, Nistkästen bauen wir, um auch Tieren eine Heimat herzustellen. Wir sehen uns da als Gärtner und Gärtnerinnen. Das ist die Funktion des Menschen. Nicht mehr als "Räuber" zu agieren, wie Papst Franziskus das sagt, also die Lebensräume zu vernichten, sondern für Lebensräume sorgen.

Und wir vermitteln damit auch zutiefst ökologisches Wissen. Also: Warum müssen wir Nistkästen bauen? Wie geht es eigentlich den Singvögeln? Was ist eigentlich mit den Insekten? Das heißt, das ist ein schönes Beispiel, was auch mit großer Begeisterung aufgenommen wird, sehr praktisch zu werden und ein ökologisches und spirituelles Wissen zu vermitteln.

DOMRADIO.DE: Beim "Spiritual Gardening" geht es also auch darum, den ökologischen und göttlichen Zusammenhang der Schöpfung zu zeigen. Wie ist denn das Verhältnis von Mensch und Natur im Christentum ganz generell definiert?

Dr. Rainer Hagencord, Leiter des Instituts für Theologische Zoologie an der Universität Münster

"Die verschiedenen Lebensräume von Pflanzen und Tieren laden geradezu dazu ein, eben mal nicht zu reden und nicht zu sprechen und zu plappern."

Hagencord: Papst Franziskus hat das in seiner Enzyklika auf den Punkt gebracht und sagt: Es hat sich aufgrund vieler Missverständnisse im Laufe der europäischen Denk- und Glaubensgeschichte etwas etabliert, was er einen despotischen Anthropozentrismus nennt. Also, eine Haltung wurde aufgebaut auf Grundlage des biblischen Wortes: Macht Euch die Erde untertan. Herrscht über die Tiere.

Das hat dazu geführt, die Erde als pure Ressource zu sehen. Die Folgen davon spüren wir übrigens jetzt täglich. Die Industrienationen, so sagt Franziskus auch, haben diesen Herrschaftsauftrag, der im Grunde ein Auftrag war, Verantwortung zu übernehmen, völlig missverstanden. Papst Franziskus sagt: Wir müssen uns als Christen und Christinnen auf die Seite derer stellen, die dieses Wort anders verstehen wollen. Er sagt, wir müssen stattdessen im Grunde sagen: Macht euch der Erde Untertan. Ein sehr schönes Wortspiel, in dem deutlich wird: So ist der Mensch zu verstehen; als Anwalt des Lebendigen, als jemand, der alles tut, dass unsere Schwester die Mutter Erde - so nennt Papst Franziskus das weiter - wieder atmen kann. Also eine Umkehrung eines herkömmlichen Paradigmas in der europäischen Denkgeschichte, die den Menschen herausnimmt aus dem Gesamt der Schöpfung, um ihn stattdessen als Mitgeschöpf zu sehen. Darum geht es.

Das Interview führte Julia Reck.

Quelle:
DR