Berliner Neutralitätsgesetz: Senat erwägt Revision

 (DR)

In die Auseinandersetzung um das Berliner Neutralitätsgesetz kommt offenbar Bewegung. Nach Medienberichten ist der rot-rot-grüne Senat bereit, höchstrichterlich prüfen zu lassen, ob die bundesweit strengsten Regelungen zur religiösen und weltanschaulichen Enthaltsamkeit von Staatsvertretern im Dienst Bestand haben.

Dies wäre der Fall, wenn Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg einlegen würde. Dieses hatte im November 2018 einer muslimischen Lehramtsbewerberin, die wegen ihres Kopftuchs nicht in den Schuldienst übernommen wurde, Recht gegeben. Die Bildungsverwaltung hatte ihre Ablehnung mit dem Neutralitätsgesetz begründet. Das Gericht erkannte der Klägerin eine Entschädigung mit der Begründung zu, sie sei im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wegen ihrer Religion benachteiligt worden (AZ 7 Sa 963/18).

Bislang hatte der Senat in mehreren vergleichbaren Fällen gezahlt, anstatt den Rechtsweg einzuschlagen. Vor allem beim kleinsten Koalitionspartner, den Grünen, hatte es für Unmut gesorgt, dass die Verteidiger des Neutralitätsgesetzes das Problem anscheinend auf diese Weise aussitzen wollten. So kam es nach den Urteilen zugunsten der Lehramtsbewerberinnen mehrfach zum offenen Dissens zwischen Scheeres und dem Grünen-Justizsenator Dirk Behrendt. Den bisherigen Kurs des Senats mag gestützt haben, dass auch die CDU hinter dem Neutralitätsgesetz steht. Zu dem umstrittenen Gesetz erwartet der Senat zudem ein verfassungsrechtliches Gutachten, das er bei einem nicht mit vollem Namen genannten "Professor Dr. W. B." in Auftrag gegeben hat.

Die Kieler Christian-Albrechts-Universität hat ein Schleier-Verbot für Muslima erlassen. Die Kommunikation im Forschungsbetrieb beruhe nicht nur auf dem gesprochenen Wort, sondern auf Mimik und Gestik, begründete die Hochschule laut "Kieler Nachrichten" (Mittwoch) die Entscheidung. In Lehrveranstaltungen, Prüfungen und Gesprächen, die sich im weitesten Sinne auf Studium, Lehre und Beratung beziehen, dürfe ein Gesichtsschleier nicht getragen werden.

Damit reagierte die Hochschule laut Zeitung auf einen Konflikt Ende vergangen Jahres. Eine Studentin sei im Niqab zu einer Vorlesung gekommen. Der Universitätslehrer habe sie deswegen zurechtgewiesen und den Fall der Universitätsleitung mitgeteilt. Ende Januar habe das Uni-Präsidium das Schleier-Verbot erlassen.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) begrüßte den Beschluss und kündigte eine Gesetzesinitiative gegen das Tragen von Gesichtsschleiern in den Schulen des Landes an. "Ich beabsichtige, im Rahmen einer Schulgesetz-Novelle für eine entsprechende Klarstellung für den schulischen Bereich zu sorgen", sagte sie der Zeitung.

Die Grünen kritisierten die Entscheidung. "Eine freiheitlich demokratische Gesellschaft darf Menschen nicht aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen und Ausdrucksweise von staatlichen Bildungseinrichtungen ausschließen", erklärte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, Lasse Petersdotter.

(KNA, 13.2.19)