Nach den Breivik-Morden suchten in Norwegen viel mehr Menschen als sonst Kirchen auf

Trost nach dem Terror

Vor einem Jahr brachte der Norweger Anders Breivik innerhalb weniger Stunden Dutzende Menschen um, die meisten waren Jugendliche. Ein Verbrechen, das die ganze Welt fassungslos machte. Im Land selber suchten zahlreiche Menschen in Kirchen Trost. Selbstverständlich ist das nicht.

 (DR)

Das ist das Ergebnis einer am Montag in norwegischen Medien veröffentlichten Studie der norwegischen Stiftung für Kirchenforschung "KIFO" in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut "TNS Gallup". Demnach gaben 12 Prozent der Befragten an, sie hätten nach den Anschlägen Gottesdienste besucht, Blumen vor einer Kirche niedergelegt oder eine Kerze angezündet. In Oslo sowie in der angrenzenden Provinz Akershus lag die Zahl sogar bei 20 Prozent. Normalerweise besuchen in Norwegen etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung sonntags einen Gottesdienst.



Pal Ketil Botvar, Forscher bei "KIFO", bezeichnete vor allem die Zahlen aus der Hauptstadtregion als überraschend. "Die Kirche hat im Osten Norwegens normalerweise keine besonders starke Position, aber der Terror hat viele der alten Trennlinien in unserer Gesellschaft verwischt", sagte Botvar.



Öffentliche Anteilnahme

Wie die Studie ergab, nahmen zwei Drittel der Norweger an öffentlichen oder privaten Gedenkveranstaltungen teil oder verfolgten solche Veranstaltungen im Fernsehen. 20 Prozent der Menschen beteiligten sich nach dem Attentat an Kundgebungen wie Fackelzügen. Den Angaben zufolge waren Einwanderungsgegner dabei seltener vertreten als der Durchschnitt. So habe unter Personen, die der Aussage "Wir haben genug Einwanderer und Asylanten im Land" zustimmten, die Beteiligung bei 12 Prozent gelegen, bei den Gegnern der Aussage hingegen bei 30 Prozent.



Das Forschungsprojekt der "KIFO" trägt den Namen "Die öffentliche Trauer". Untersucht wird, welche alten und neuen Rituale in Norwegen zur Anwendung kommen und welche Rolle die Kirche dabei spielt. Einen der Schwerpunkte bildet dabei der Umgang mit den Folgen des Terrors.



Bei den Anschlägen auf das Regierungsviertel von Oslo und ein Jugendzeltlager auf der Insel Utoya am 22. Juli 2011 kamen im vergangenen Jahr insgesamt 77 Menschen ums Leben. Von den 4,7 Millionen Norwegern gehören knapp 86 Prozent der evangelisch-lutherischen Norwegischen Kirche an.