Kern der päpstlichen Botschaft

Alle Menschen werden Schwestern?!?

Am Sonntag hat der Papst Franziskus seine Enzyklika "Fratelli tutti" veröffentlicht. DOMRADIO.DE-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen erkennt in der Enzyklika einen "päpstlichen Rundumschlag für mehr Menschlichkeit" mit einem faden Beigeschmack.

 (DR)

„Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt …“ So heißt es bei Schiller – wunderbar vertont in der Ode an die Freude von Beethoven in seiner 9. Sinfonie, die längst zur Europahymne geworden ist. Mit sanfter Feder, aber klar und eindeutig ist auch Papst Franziskus ans Werk gegangen: Seine Enzyklika „Fratelli Tutti – Brüder alle" spricht die aktuellen Probleme an und weist den Weg.

Ja, es ist wirklich zielführend und wegweisend, was der Papst zu Frieden, Gerechtigkeit, Ökologie und Ökonomie allen Menschen guten Willens mit auf den Weg gibt: Flüchtlinge nicht abweisen, sondern barmherzig aufnehmen – in einer Kultur der Mauern und des Egoismus Brücken bauen – Todesstrafe und Rassismus endlich hinter uns lassen – Armut, Ausbeutung und Unterdrückung beenden. (In Schillers erster Fassung hieß es statt „Alle Menschen werden Brüder“ noch „Bettler werden Fürstenbrüder“!) Es ist quasi ein päpstlicher Rundumschlag für mehr Menschlichkeit.

Für die Würde, die jeder einzelne Mensch hat. Unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Religion oder seinem Bankkonto. Eben ein brüderlicher – ein schwesterlicher – ja ein wunderbarer geschwisterlicher Gesamtansatz, an dem sich nicht nur Christen nicht länger vorbeimogeln dürfen.

Man mag es bedauern, dass Franziskus die Schwestern nicht klarer benennt und auch in seinen Fußnoten die Frauen leider keine Rolle spielen. Der Kern der päpstlichen Botschaft darf dadurch nicht verloren gehen: „Wenn dieses elementare Prinzip der gleichen Würde für jeden Menschen nicht gewährt wird – da gibt es keine Zukunft!” (Ft 107) Wenn das für die Menschheit gilt – dann wohl auch für die katholische Kirche. Daran kommt dann auch kein Kirchenmann in Verantwortung mehr vorbei. „Alle Menschen werden Schwestern?!?“ Nein, weder die Ode an die Freude noch die päpstliche Enzyklika brauchen eine Umbenennung – aber ein Umdenken und eine Umkehr zum Leben. 



Ihr
Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur DOMRADIO.DE

PS: Eigentlich sollte unser Multimediasender schon im Sommer zurück ins angestammte Domizil im Domforum ziehen. Doch jetzt wird es wohl Herbst oder gar Winter…Renovierungs-Baumaßnahmen, die sich verzögern, kennt man in Köln und nimmt sie am besten mit Humor: Wie funkt „unser guter Draht nach oben“ so treffend? „Gott schuf ja auch die Zeit – von Eile hat er nichts gesagt!“