Vor 30 Jahren fiel die Mauer

Kerzenträger verzweifelt gesucht

In seinem Wochenkommentar erinnert DOMRADIO.DE Chefredakteur an die friedliche Revolution und den Mauerfall vor 30 Jahren. Es war zunächst ein stiller Aufstand, mit den sichtbaren Zeichen von Kerzen. Auch heute brauche es solche angstfreien Kerzenträger, meint Ingo Brüggenjürgen, die der Kraft der kleinen Kerze – der Liebe Gottes – vertrauen.

 (DR)

Vor 30 Jahren fiel die Mauer. Ein völlig friedlicher Umsturz. Auf der Mauer des Todes wurde getanzt und gelacht. Wildfremde Menschen lagen einander vor Freude in den Armen. Bis heute sind diese Bilder des Glücks in uns lebendig. Nicht vergessen sollten wir aber, wie es damals angefangen hatte: Es waren Christen, Fromme und Nichtfromme, Künstler, Intellektuelle, Systemkritiker – Menschen, die nicht länger mitmachen wollten. Mutige Menschen, die die kleinen Freiräume, die die Kirchen in der alten DDR anboten, nutzten. Man traf sich zu Gebet und Diskussion. Nicht nur in der Nikolaikirche in Leipzig. In immer mehr kirchlichen Räumen im ganzen Land. Es war zunächst ein stiller Protest. Ein leiser Aufstand gegen die damaligen Machthaber. Ihr Mächtigen, ich will nicht singen Eurem tauben Ohr…

Das sichtbare Zeichen dieses Protests waren Kerzen. Kleine, flackernde Kerzen, die erst in den Kirchen angezündet wurden und die dann hinaus auf die Straßen und Plätze getragen wurden. Mutige Kerzenhalter, die nicht wussten, ob Sie dafür im Knast landen würden oder vielleicht gar ihr Leben riskierten. Es waren keine laut brüllenden Fackelträger, die selbstverliebt nationalistisch im Gleichschritt marschierten, sondern einfache Bürger. Kinder Gottes, die darauf vertrauten, dass der kleine Kerzenschein mehr Macht hat als die in Alarmbereitschaft gesetzten Soldaten mit ihren Maschinengewehren und Kanonen in den Kasernen.

Am 9. Oktober 1989 umrundeten viele zehntausend Leipziger den Innenstadtring – meist schweigend – viele mit Kerzen in den Händen. Der Wille des Volkes und die Sehnsucht nach Freiheit waren nicht mehr zu übersehen.
Ich wünsche mir auch heute viele angstfreie Kerzenträger – die all die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt beenden. Mutige Menschen, die der Kraft einer kleinen Kerze und der Liebe Gottes vertrauen.
 



Ihr
Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur DOMRADIO.DE

PS: In der ewigen Stadt am Tiber werden seit Jahrtausenden Kerzen an den Gräbern der Apostel angezündet. In diesen Tagen sind unter den Romreisenden erstmalig auch über 80 DOMRADIO.DE Pilgerinnen und Pilger. Mit dabei sind auch unsere Franziskaner-Schwester Katharina, unser Diakon Willibert Pauels und unser PR-Chef und Reisemanager Martin Biallas. Sie garantieren, dass der gute Draht nach oben auch im Vatikan bestens funktioniert… www.DOMRADIO.DE/Rom