Was Horst Seehofer mit Köln-Vingst zu tun hat

Ein Land in Schieflage

Fast 70 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krisen und Konflikten. Gerade einmal 9.000 Flüchtlinge leben in Köln. Und die CSU möchte – koste, was es wolle – verhindern, dass Menschen an deutschen Grenzen geholfen wird, wenn sie schon in einem anderen Land registriert wurden. Gedanken über ein Land in Schieflage.

 (DR)

Die beiden "christlichen" Schwesterparteien CDU und CSU zerfleischen sich aus machtpolitischen Gründen und streiten darüber, ob Schutz und Herberge suchende Menschen an der deutschen Grenze aufgenommen, abgewiesen oder in Lager gebracht werden. Am Mittwoch erinnerte der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen an die erschreckende Tatsache, dass im vorigen Jahr in der Welt durch Krisen und Konflikte so viele Menschen auf der Flucht waren wie noch nie zuvor. Insgesamt 68,5 Millionen Schicksale. Unter den Flüchtlingen sind mehr als die Hälfte minderjährig, oft handelt es sich um Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden. 

In der Millionenstadt Köln leben heute 9.400 Flüchtlinge, also weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Die Willkommensinitiativen suchen händeringend nach Paten, die den Menschen Zuspruch, Rat und Hilfe geben. Gut 40.000 Kölnerinnen und Kölner haben bei der Bundestagswahl die fremdenfeindliche AfD gewählt. Das ist die Partei, vor der die CSU in Bayern eine solche Angst hat, dass sie im Vorfeld der Landtagswahl durch ihr Beharren auf einen nationalen Alleingang in der Flüchtlingsfrage die Einheit der Union und die Große Koalition gefährdet.

Wir haben den Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer gefragt, in dessen Pfarrgemeinde sowohl viele Flüchtlinge als auch viele Kölner in prekären Verhältnissen leben und fast 14 Prozent die rechtspopulistische AfD gewählt haben, woran das liegen könnte.

Und Pfarrer Meurer spricht Klartext: "Natürlich gibt es sowas wie Sozialneid. Bei der Lebensmittelausgabe sagte mir zum Beispiel ein Mann, die Ausländer würden vorgezogen. Das ist natürlich Quatsch. Die werden nicht vorgezogen, die werden nur genauso ordentlich behandelt, wie die anderen 300 bis 350 Leute, die Lebensmittel bekommen, auch. Aber das ist ein normales Phänomen.  Wenn man selber meint, man kommt zu kurz, man muss unter schlimmen Bedingungen leben, sucht man die Schuld schnell bei anderen."

Das Hauptproblem sieht Meurer aber im Mangel an bezahlbarem Wohnraum: "In Köln fehlen insgesamt 60.000 Wohnungen. Um Flüchtlinge unterzubringen, bräuchte man allerhöchstens 2.500 bis 3.000 Wohnungen. Das heißt: Arme Menschen bekommen keine Wohnung. Es gibt viel zu wenige Sozialwohnungen."

Meurers Appell lautet: "Wir dürfen die Situation nicht nur den armen kleinen Leuten als Aufgabe stellen, die nicht richtig im Leben zu Rande kommen. Wir müssen uns selber an die Brust schlagen und fragen: Was machen wir für eine gerechte Gesellschaft und was machen wir, um die Flüchtlinge in das normale Leben zu integrieren? Die Möglichkeiten, die wir als Kirche haben, sind noch nicht ausgeschöpft. Der Kardinal hat das begriffen. Aber da ist natürlich noch extrem viel mehr drin."

Vielleicht ist es ja so "einfach": Deutschland geht es so gut wie noch nie zuvor. Man nehme Meurers "rheinischen Kapitalismus" verbunden mit einem starken Sozialstaat, man sorge für eine ausreichende Grundsicherung und bezahlbaren Wohnraum, dann sollte es für alle reichen.

Würden sich die Regierungsparteien also auf die katholische Soziallehre und den christlichen Auftrag besinnen, bräuchten sie vor der AfD keinen Bammel mehr haben und es müssten auch keine schutzbedürftigen Menschen an der Grenze abgewiesen werden. Und die Bundesregierung könnte sich um die wirklich dringenden Fragen kümmern.

Ralf Walter

Redaktionsleitung Online



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