Ausblick auf die Bischofskonferenz

"Ihr Mächtigen, ich will nicht singen…"

In seinem Wochenkommentar gibt DOMRADIO.DE Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen einen Ausblick auf die Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe.

 (DR)

Es sind unruhige Zeiten. Das Kirchenschiff ist wieder einmal in stürmischer See. Der Doppelsekretär der beiden Päpste, Kurienerzbischof Georg Gänswein, spricht angesichts der nicht enden wollenden Zahl der Missbrauchsfälle vom „9/11" der katholischen Kirche. Doch man muss präzisieren: Am 11. September kam der Angriff von außen. Bei der derzeitigen Aufarbeitung der vielen Missbrauchsfälle durch Geistliche weltweit und bei uns im Land kommt die verheerende Sprengkraft aus den eigenen Reihen! Noch ist völlig unklar, welche Schadensbilanz am Ende ernüchternd und tief traurig gezogen werden muss. Dann, wenn alle Fälle und Fakten auf dem Tisch liegen, alle Beschuldigten und Mitwisser zur Verantwortung gezogen wurden. Die notwendigen finanziellen Summen, die man für die Wiedergutmachung aufbringen muss – für Straftaten, die nicht wieder gut zu machen sind – dürften dabei noch das kleinste Problem sein…
Wenn sich die Bischöfe in der nächsten Woche in Fulda zu Ihrer traditionellen Herbstvollversammlung treffen, gilt es, einen solidarischen, einheitlichen Beschluss zu erwirken, der den unumgänglichen Worten des Bedauerns und der Bitte um Entschuldigung bei den Opfern auch die notwendigen Konsequenzen und Taten folgen lässt. Jeder, der sich ob der Abgründe, die sich auch jetzt wieder im eigenen Laden auftun, nicht schon längst mit Schaudern abgewendet hat, hofft auf diesen Befreiungsschlag der bischöflichen Entscheidungsträger. Ob er gelingen kann? Angesicht der unübersehbaren Machtkämpfe beim jüngsten Streit um ein pastorales Papier zum Kommunionempfang in konfessionsverschiedenen Ehen darf man zumindest Zweifel anmelden. Auf Beistand und allzu viel Hilfe aus Rom kann man leider auch nicht setzen. Selbst wenn man kein Vatikaninsider ist, kann man nüchtern bilanzieren, dass man im Vatikan derzeit leider primär ebenfalls mit sich selbst beschäftigt ist und sich in einer Art permanentem Machtkampf befindet. Immer geht es allen dabei natürlich um die allerletzte Wahrheit, die jeder für sich selber in Anspruch nimmt…
Bei Mutter Kirche also alles wie bei Vater Staat und Onkel Seehofer? „Bei Euch aber soll es nicht so sein!“ (Mk10,43) lautet der klare Auftrag Jesu. Daran kommt kein kirchlicher Entscheidungsträger in diesen aufgewühlten Tagen vorbei! Der Kölner Kardinal Woelki geht mit seiner nun angekündigten unabhängigen und lückenlosen Aufklärung mutig voran. Vor fast genau vier Jahren hatte er bereits in seiner Antrittspredigt daran erinnert, dass alle Getauften und Gefirmten mit der Gottesgabe des Heiligen Geistes reich beschenkt seien: „Aber … sie sind uns nicht gegeben zur Selbstdarstellung oder zur Profilierung persönlicher Eitelkeiten!“ Sondern zum Aufbau der Kirche. Solche bischöflichen Baumeister sollten jetzt in Fulda mutig anfangen und bitte nicht darauf warten, bis noch mehr Grundsteine des Glaubens und Vertrauens „den Bach runter gehen“. Erst dann darf man auch wieder darauf hoffen, dass „Gott seine Wohnung bei den Menschen – mitten unter uns“ bezieht und die Tore des himmlischen Jerusalems weit offen stehen.



Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur