Kirchen und Hilfswerke rufen zur Flüchtlingshilfe auf

"Menschen, keine Zahlen"

Anlässlich des Weltflüchtlingstages an diesem Montag haben sich zahlreiche Hilfsorganisationen und Kirchen warnend geäußert. Man dürfe über das Leid in der Ukraine nicht die Notlagen im Rest der Welt vergessen, so der Tenor.

Autor/in:
Paula Konersmann
Sammlung von Hilfsgütern für die Ukraine / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Sammlung von Hilfsgütern für die Ukraine / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die Organisation Care wies darauf hin, dass die finanzielle Hilfe für Millionen Flüchtlinge seit Jahresbeginn fast komplett ausgeblieben sei. Länder wie Syrien, Mali, Burundi, Haiti und Venezuela sowie die Rohingya-Flüchtlingshilfe hätten nach Angaben der Vereinten Nationen weniger als 15 Prozent der notwendigen Finanzmittel erhalten, um die Vertriebenen im Land und über die Landesgrenzen hinweg zu unterstützen.

Weltflüchtlingstag

Der Weltflüchtlingstag ist ein von den Vereinten Nationen eingerichteter Aktionstag, der seit 2001 am 20. Juni stattfindet. Bereits seit 1914 gibt es den Welttag des Migranten und Flüchtlings (auch Welttag der Migranten und Flüchtlinge; kurz Weltflüchtlingstag), ein jährlich am 19. Januar stattfindender, kirchlicher Gedenktag für Flüchtlinge und Migranten. Er wurde erstmals 1914 von Papst Benedikt XV. mit dem Dekret Ethnografica studia ausgerufen.

Flüchtlingslager auf Zypern / © Andrea Krogmann (KNA)
Flüchtlingslager auf Zypern / © Andrea Krogmann ( KNA )

Als Grund für die mangelnde Unterstützung machte Care den Ukraine-Krieg aus. "Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und unverzüglich die finanziellen Mittel für die Versorgung und Unterstützung aller Geflüchteten und Vertriebenen aufzustocken - egal woher sie kommen und wohin sie flüchten", mahnte der Generalsekretär von Care Deutschland, Karl-Otto Zentel.

So seien derzeit über 4,6 Millionen Menschen in Burkina Faso, Tschad, Mali und Niger auf der Flucht. Jahr für Jahr sei die Sahel-Region mit einem chronischen Mangel an finanzieller Unterstützung konfrontiert, da Konflikte, Vertreibung, Klimawandel, Hunger und Armut zunehmen. Dennoch waren Ende 2021 die Hilfspläne für die Zentralsahelzone und den Tschad zu weniger als 45 Prozent finanziert. Dies sei trotz steigendem Bedarf die niedrigste Fördersumme der letzten sechs Jahre, hieß es

Sternsinger legen Fokus auf fliehende Kinder

Das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" machte vor dem Hintergrund des Weltflüchtlingstags auf das große Leid von Kindern aufmerksam, die aufgrund des Ukraine-Krieges und anderer kriegerischer Konflikte weltweit auf der Flucht sind. "Mädchen und Jungen sind in Fluchtsituationen vielfachen Gefahren ausgesetzt und besonders verletzlich und schutzbedürftig", sagte der Präsident des Kindermissionswerks, Pfarrer Dirk Bingener, in Aachen. 

Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht (KNA)
Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Deswegen forderte Bingener einen besseren Schutz für Kinder in Fluchtsituationen. So habe der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zu einem "historischen Exodus" geführt. "Zwei Drittel aller ukrainischen Kinder sind innerhalb des eigenen Landes auf der Flucht oder mussten in Nachbarländer fliehen. Das sind erschütternde Zahlen, mit denen unermessliches Leid verbunden ist."

Trotz des Ukraine-Krieges dürften andere Konflikte in der Welt nicht aus dem Blick geraten. "Kriegerische Auseinandersetzungen und Gewalt in Ländern wie dem Südsudan, Syrien, Äthiopien, Kolumbien oder Myanmar, bei denen Kinder ebenfalls Opfer von Flucht und Vertreibung werden, rücken leicht aus dem Fokus der Öffentlichkeit", sagte Bingener. "Wir dürfen diese Kinder nicht vergessen und müssen sie gemeinsam mit unseren Partnern weiterhin nach Kräften unterstützen."

Grundnahrungsmittel weltweit knapp

Ähnlich äußerte sich das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Die weitreichenden Auswirkungen des Krieges in der Ukraine führten zudem dazu, dass sich die Situation in anderen Krisenregionen verschärfe. "Insbesondere lebenswichtige Grundnahrungsmittel werden plötzlich knapp", sagte DRK-Generalsekretär Christian Reuter.

Laut Vereinten Nationen sind derzeit mehr als 100 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht - ein neuer Höchststand. Allein infolge des Ukraine-Krieges sind 14 Millionen Menschen geflohen, ein Großteil davon innerhalb des eigenen Landes.

Auch die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ruft zum Weltflüchtlingstag dazu auf, die individuellen Schicksale Geflüchteter im Blick zu behalten. "Flüchtlinge sind Menschen, keine Zahlen", sagte der EKD-Beauftragte für Flüchtlingsfragen, Christian Stäblein. Dementsprechend müssten Menschenwürde und Menschenrechte der "Maßstab aller Politik" sein, wenn es um Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten gehe, aber auch um die Vermeidung von Fluchtursachen oder die Einwanderungspolitik.

Bischof Christian Stäblein besucht Flüchtlinge in kirchlichen Anlaufstellen / © Christian Ditsch (epd)
Bischof Christian Stäblein besucht Flüchtlinge in kirchlichen Anlaufstellen / © Christian Ditsch ( epd )

Die derzeitige Unterstützung insbesondere für Geflüchtete aus der Ukraine sei "beispielhaft", fügte Stäblein hinzu. Diese Hilfsbereitschaft dürfe nicht nachlassen. Zugleich dürften andere Schauplätze und Probleme nicht in Vergessenheit geraten. "Immer noch ertrinken Bootsflüchtlinge, ob im Mittelmeer oder im Ärmelkanal. Immer noch werden Geflüchtete in Lagern untergebracht - sei es in großen Haftzentren in der Ägäis, in unrechtmäßigen Internierungslagern in Polen oder in Anker-Zentren in Deutschland."

Bewusste Strategie religiöser Verfolgung

Das überkonfessionelle Hilfswerk Open Doors betonte in Wien, die Vertreibung von Christen aus ihren Häusern und Dorfgemeinschaften sei in vielen Ländern "eine bewusst eingesetzte Strategie religiöser Verfolgung". Es gehe gezielt darum, die Präsenz des Christentums in Regionen, in denen die Verfolgung am stärksten ist, auszulöschen. Teil der Strategie sei, Religionsgemeinschaften zu spalten.

"Vertreibung ist nicht nur ein Nebenprodukt der Verfolgung, sondern in vielen Fällen ein bewusst eingesetztes Element einer umfassenderen Strategie, um das Christentum aus der Gemeinschaft oder dem Land zu vertreiben", so die Open-Doors-Expertin für geschlechtsspezifische Verfolgung, Helene Fisher. Die häufigste Ursache für die Vertreibung von Christen seien Familienangehörige, die Konvertiten als "Abtrünnige und Verräter" betrachteten. Diese würden dann etwa überlebenswichtige Dinge wie Nahrung oder Unterkunft vorenthalten oder die körperliche Unversehrtheit bedrohen oder verletzen.

Herbert Reul / © Ralph Sondermann (Innenministerium NRW)

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat derweil für den Weltflüchtlingstag eine Beflaggung für öffentliche Gebäude angeordnet. An dem Tag sollen die Flaggen an allen Dienstgebäuden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der übrigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterliegen, auf Vollmast gesetzt werden.

Quelle:
epd , KNA