Predigten

Weihbischof Steinhäuser an Pfingsten

Liebe Schwestern und Brüder. Unser heutiges Evangelium hat zwei Teile, die vom Evangelisten zueinander in Beziehung gesetzt werden. Den Jubelruf Jesu und die Seligreisung der Jünger. Jesus preist die Jünger selig: "Selig sind die, deren Augen sehen was ihr seht." Eine Seligpreisung ist eine Art Gratulation, ein Glückwunsch. In unserer Umgangssprache würde das heißen: "Menschenskinder, ihr habt ein riesen Glück! Andere wären glücklich, wenn sie das sehen könnten was ihr seht. Und wenn sie das hören könnten, was ihr hört". Wichtigerer Leute als ihr, Könige und Propheten haben sich die Finger danach geleckt und es nicht erlebt."

So eine Botschaft baut auf, sie kitzelt das Selbstwertgefühl der Jünger. "Wir haben etwas erlebt, wovon andere nur träumen können." Sie werden an die Zeichen und Wunder gedacht haben, aber auch an Kreuz und Auferstehung Jesu, an die Begegnung mit dem Auferstandenen und an die Sendung des Heiligen Geistes. Der Epheserbrief setzt noch einen drauf, wenn er wünscht, dass die Jünger verstehen sollen, zu welcher Hoffnung sie durch Jesus berufen sind, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes schenkt und wie überragend groß sich seine Macht an ihnen erweist.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, liebe Schwestern und Brüder, dass die Seligpreisung Jesu auch uns gilt? Dass wir zu den Bevorzugten und Privilegierten gehören, die das sehen und hören dürfen, was anderen verborgen bleibt. Jeden Sonntag hören wir das Wort Jesu, ja, wir können es schwarz auf weiß gedruckt nachlesen. Wir wissen von Jesus, wie sehr uns Gott liebt und wer er eigentlich ist. 

Wir genießen das unschätzbare Privileg, über Gott keine Mutmaßungen anstellen zu müssen, sondern aus dem Mund seines eigenen Sohnes hören zu können, dass Gott ein "Du" ist, das uns kennt, das uns beim Namen ruft und unseren Namen in seine Hand geschrieben hat. Wir können seinem Sohn Jesus Christus begegnen im eucharistischen Brot. Er will unser tägliches Brot sein, Nahrung und Speise für jeden Tag. Wir sind die Erwählten, denen in Taufe und Firmung der Heilige Geist geschenkt ist. Da ist es schon eigenartig, wie sich viele Christen verhalten, obwohl sie doch so beschenkt sind. Manchmal könnte man meinen, sie sehen und sehen doch nicht, sie hören und hören doch nicht. Warum wohl?

Dann ist da noch der Jubelruf Jesu, mit dem unser Abschnitt beginnt: "Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen." Das Wort, das da im griechischen Text steht, kann außer mit "unmündig" auch mit "arm", "klein", "gering" und "einfältig" übersetzt werden.

Es ist der Kontrastbegriff zu denen, die in der Welt etwas gelten, die klug, gebildet und reich sind. Jesus hat allen Menschen gepredigt, aber es waren nicht viele Gebildete und Mächtige, die sich von ihm anrühren ließen. Die gesellschaftliche Elite seines Volkes und seiner Zeit konnte herzlich wenig mit ihm anfangen oder lehnte ihn ab. Das Christentum war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in den Anfängen klar eine Arme-Leute-Religion. Das ist nicht zufällig so. Wer alles hat, in vollem Saft steht und im überfluss schwimmt, braucht gar keine Erlösung. Ihm geht es ja gut und der Gedanke an den Tod läßt sich immer wieder wegschieben und verdrängen. Der, der unten steht, der nichts hat und nichts kann, der ist offener für eine Veränderung, ist eines Erlösers bedürftiger. Wer sich nur auf sich selbst verlässt, wird sich nicht auf Gott verlassen wollen.

Die Armut an sich ist ein Mangel, eine Not. Sie kann aber auch zum Ansatzpunkt der Gnade werden, nämlich dann, wenn meine leeren Hände mich bereit machen, etwas von Gott zu erwarten und zu empfangen. Beim Zuhören, liebe Schwestern und Brüder, wird ihnen die Verbindung der beiden Teile unseres Evangeliums gelungen sein. Nur der Mensch mit den offenen Händen gehört zu den Seliggepriesenen Jesu. Nur, wer seine Bedürftigkeit erkennt und darunter leidet, ist offen für die Worte und die Taten Jesu. Jeder aber, der die Gabe Gottes annimmt, ist für Jesus ein Grund zum Dank und zur Preisung Gottes.

Themen