Reportage

Interview mit Erzbischof Hans-Josef Becker

Mit einem festlichen Pontifikalamt im Dom feierte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker am Sonntag den 08. Juni 2008 seinen 60. Geburtstag. Der im September 2003 in sein Amt eingeführte leitende Theologe ist Nachfolger des im Juli 2002 verstorbenen Kardinals Johannes Joachim Degenhardt. Der im sauerländischen Belecke geborene Becker wurde 2000 von Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Vina und Weihbischof in Paderborn ernannt. Zuvor war er Leiter der Zentralabteilung Pastorales Personal im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn. "Eigentlich gar nicht und wenn öffentlich, dann bitte zurückhaltend." Erzbischof Hans-Josef Becker nimmt die Anfragen zur Gestaltung seines runden Geburtstags westfälisch trocken. Er mag nichts "künstlich Aufgesetztes" und schon gar keinen Wirbel um seine Person. Der in Belecke im Sauerland geborene Oberhirte von Paderborn ist bescheiden geblieben. Folglich gibt es keine großen Feierlichkeiten. Ein Pontifikalamt am Sonntag, 8. Juni, um 10 Uhr, mit einem anschließenden Empfang im Garten des Konrad-Martin-Hauses, gleich hinter dem Dom. Jeder kann kommen, der gratulieren möchte. Dem Weihrauchduft folgt der Rauch der Grillwürstchen, für die die Paderborner Schützen Verantwortung tragen. Es wird Gespräche geben, einige kurze Festansprachen, ein lockeres Zusammensein, nah am Volk.
"Wenn schon, dann soll dieses Fest eine Freude für die Menschen sein", meint der Erzbischof zu den flach gehaltenen Aktivitäten. Becker muss nicht jede Woche "talk of the town" sein. Im Paderborner Dom sei seine Kanzel, betont er. Nur verwurzelt im Glauben könne man gestärkt die komplizierte Zukunft bewältigen. Auf dem Weg zum Dom grüßen ihn die Besucher und Bauern vom Markt. Sie halten ihn auf, und er hält und verhält sich offen. Hans-Josef Becker ist ein Erzbischof, der die Kartoffel-, Eier- und Milchpreise kennt. Und der die Nöte, Sorgen und Rückenschmerzen der Marktkaufleute mit in den Dom nimmt. Und viele andere Dinge auch.

Dieser prägende persönliche Dialog-Stil Beckers breitet sich leise, für viele oft überraschend und wohltuend seit fast fünf Amtsjahren im Erzbistum mit seinen knapp 1,7 Millionen Katholiken aus. Damit hat er im Bistum gepunktet. Er hat Zeit in Zeiten galoppierender kirchlicher Veränderungen, selbst wenn Finanznöte seinen Sprengel quälen und die Priesterzahlen sinken. Und er kann zupacken: Pastoralverbünde gründen, Haushalte konsolidieren, auch unbequeme Entscheidungen treffen und durchstehen. Das geschieht ohne große Geste. Ihm liegt nichts an Show. Aber ihm liegt immer viel daran, sich bestens beraten zu lassen. Auch auf höchster Ebene wird dieser Stil wohl geschätzt. Erzbischof Hans-Josef Becker ist in zahlreichen Gremien der Deutschen Bischofskonferenz tätig. Im Jahr 2006 erfolgte die Wahl zum Vorsitzenden der Kommission VII Erziehung und Schule. Er ist Mitglied einer Gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Seit Februar 2008 ist Erzbischof Becker zudem stellvertretender Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, der er schon länger angehört. Becker möchte informiert sein: über die Kopfnotendebatte in NRW, das so genannte Turboabitur, die Initiative "Pro Reli" in Berlin. Als Kontaktmensch nimmt er dann Kontakt mit Experten auf, ringt um Argumente, sucht die Differenzierung. Das alles geht leise vor sich. Spielt sich im Hintergrund ab. In seinen Predigten und Hirtenbriefen tauchen die Themen dann wieder auf. Vor Bundes- und Landtagsabgeordneten macht er sich entschieden für die Hauptschule stark oder erklärt theologisch akzentuiert, warum sich die Kirche für einen umfassenden Schutz und eine Kultur des Sonntags einsetzt. Bei den Ärztetagen und beim ersten Juristentag Anfang Juni bleibt er in seinen Grußworten nicht teilnahmslos. Volles Engagement für Würde und Lebensschutz. Von Anfang an und bis in die Sterbestunde. Hans-Josef Becker ist als Bischof Mensch geblieben. Ein Erzbischof, der mit 60 seine E-Mails selber beantwortet und es sich nicht nehmen lässt, zuweilen seine 1.250 Kirchtürme im Erzbistum über Google-Earth zu bestaunen. Ein Bischof, der inkognito zu den Armen in die Suppenküche fährt. Ein Bischof, der es als Eisenbahnersohn einfach nicht lassen kann, hier und da einmal "leider viel zu selten" im Zugspitzteil einer Bundesbahn mitzufahren. Hans-Josef Becker ist ein Mann, den großes Interesse für alles auszeichnet. Auf die Einlassung, dass das für das Sternzeichen Zwilling nur mehr als stimmig sei, antwort er schmunzelnd: "Ich bin gläubig, nicht abergläubig". Seine Liebe für die Musik ist bekannt. Und sein Interesse an jungen Menschen groß. Einmal Pädagoge, immer Pädagoge. Becker legte 1972 die zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ab. Grundschulkinder dürfen ihn duzen und fragen, ob er auch mal Jeans trage. Jugendlichen begegnet er als firmender Bischof mit erstaunlichen Kenntnissen über Gel und Haarlack. "Dann kann man auch über den Glauben reden", sagt Becker und fordert eindringlich, dass heute eine Geh-Hin- und nicht eine Komm-Her-Kirche gebraucht werde.

"Der Weg der Kirche ist der Mensch", dieses Wort von Papst Johannes Paul II. ist für Hans-Josef Becker Orientierung und Richtschnur und für ihn selbst bezeichnend. Hier lässt er seine spirituelle Heimat durchblicken, die er auch in der Priestergemeinschaft Jesus Caritas findet, die sich an Charles de Foucauld orientiert. An seinem Geburtstag wird man einem Erzbischof begegnen, der, wie die Rheinländer sagen würden, "den lieben Gott einen guten Mann sein" lassen kann. Diese Grundbotschaft, dass Gott gut ist und es mit seiner Liebe gut mit aller Kreatur meint, spürten die Gäste handfest beim Bischofsgeburtstag. Ein Beitrag vom Domradio Köln