Missio-Projekte in Nigeria zeigen Bedeutung von Kirche

Kirche als Hoffnungsträger

Für viele Menschen ist Nigeria weit weg und das Schicksal der Menschen dort ebenso. Es lohnt sich aber über den eigenen Tellerrand zu blicken, meint Pfarrer Dirk Bingener, Präsident von missio. Mit seinem Hilfswerk setzt er sich für Verständigung ein.

Gottesdienst in Nigeria / © Katrin Gänsler (KNA)
Gottesdienst in Nigeria / © Katrin Gänsler ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Lass uns nicht müde werden, das Gute zu tun." Das Wort aus dem Brief des Apostels Paulus an die Galater ist das Leitwort in diesem Jahr. Warum passt das gut in diesen zweiten Corona-Herbst?

Dirk Bingener (Pfarrer und Präsident des Internationalen Katholischen Missionswerks missio): Corona hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt, besonders auch unsere Partner in Nigeria und die Problemstellungen, gerade auch des interreligiösen Dialogs, das ist ja dieses Jahr das Thema, bleiben natürlich auch in Corona-Zeiten. Deswegen braucht es weiterhin den Einsatz. Das zweite ist, dass es in Nigeria beispielsweise gerade die Fragestellung um Boko Haram und den Terror gibt. Und wenn die Kameras weg sind, dann ist natürlich die Frage: Wer macht jetzt wieder Friedens- und Versöhnungsarbeit? Dafür braucht es einen langen Atem. Da passt das Motto "Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun" in diesem Jahr sehr gut.

DOMRADIO.DE: Nigeria ist etwa zur Hälfte muslimisch und zur Hälfte christlich. Das führt oft zu Konflikten und die Friedensarbeit vor Ort spielt eine zentrale Rolle auch für die missio-Partner. Wie können wir uns das vorstellen?

Bingener: Es ist wichtig zu betonen, dass es keine Religionskonflikte sind. Hier stehen jetzt nicht Muslime und Christen gegeneinander, sondern es sind oftmals Konflikte um Ressourcen, beispielsweise Konflikte zwischen Bauern und Viehhirten. Sie treiben ihre Herden durch die Felder der Bauern und lösen damit Konflikte um Ressourcen aus. Und die werden religiös aufgeladen, weil man mit Religion natürlich diese Konflikte verstärken kann. Das müssen die religiösen Führer deutlich machen und müssen zusammenstehen. Deswegen haben auch der Emir von Wase, Muhammmadu Sambo Haruna, und auch Erzbischof Ignatius Kaigama die Reise nach Deutschland gemeinsam gemacht, um das zum Ausdruck zu bringen.

DOMRADIO.DE: Wenn die Menschen in Nigeria so religiös leben, was können wir an diesem Beispiel für die Weltkirche lernen?

Bingener: Mir ist nochmal in der Begegnung mit unseren Partnern aufgefallen, welche wichtige Rolle in dem Fall die Kirche hat. In Nigeria sind Fragen wie Hunger, die Frage um Bildung, die Frage der Rechte von Kindern und Frauen, dass Menschen Arbeit haben, dass junge Leute eine Perspektive haben, ganz wichtig. Und ich glaube, dass wir immer wieder diese Fragestellungen in den Blick bekommen müssen und dass Christen und Muslime hier helfen, dass das Leben von Menschen gelingt und dass sie diese Probleme in den Griff bekommen. Das ist ganz wichtig. Und mir ist ganz wichtig, noch einmal deutlich zu machen, dass wenn es die Kirche hier nicht gibt, dass dann den Menschen auch Hoffnung fehlt. Wenn sie keine Hoffnung haben, dann verlieren sie auch den Glauben an Gott. Die Weltkirche kann davon lernen, dass Kirche und alle Menschen guten Willens Hoffnungsträger sind und dass es wichtig ist, dass die Leute die Hoffnung behalten und dass sich Situationen wirklich verändern.

DOMRADIO.DE: Spenden sammeln in Gottesdiensten war während der Pandemie in den Lockdown-Zeiten schwierig und bleibt es ja auch immer noch. Aber es gibt ja auch die Online-Alternative.

Bingener: Es gibt verschiedene Möglichkeiten Gutes zu tun. Spenden sind sehr wichtig. Das andere ist aber, dass wir natürlich im Weltmissionsmonat und am Weltmissionssonntag zunächst einmal Begegnung erzielen wollen, dass man sich für die Situation in Nigeria interessiert, für den interreligiösen Dialog dort. Aus dieser Begegnung heraus entsteht dann Solidarität, in Form von Spenden und Gebeten. Man kann bei uns auf unserer Homepage auch eine Kerze entzünden. Zuerst geht es also um die Frage von Begegnung, dass man bereit ist, sein Herz ein wenig zu öffnen für das Schicksal und die Situation in Nigeria. Und dann folgen vielleicht auch Spenden, auf welchem Weg auch immer, und das Gebet und vielleicht auch ein politischer Einsatz, damit sich Situationen verändern.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen in Deutschland fühlen sich durch Corona ja auch selbst finanziell gebeutelt. Andere haben vielleicht schon gespendet für die Hochwasser-Betroffenen beispielsweise. Warum ist es trotzdem so wichtig, den Blick zu heben über den eigenen Tellerrand? Und für die Ärmsten der Armen zu spenden?

Bingener: Unsere Erfahrung ist, ehrlich gesagt, dass Menschen, die sich beispielsweise vom Schicksal jetzt an der Ahr berühren lassen, oftmals auch ein offenes Herz haben für die Menschen in der Welt. Es ist jetzt kein Gegeneinander, sondern das ist eher so, dass auch hier Menschen ihr Herz öffnen und dann das geben, was sie können. Und mir ist wichtig zu betonen, dass es wichtig ist, aus einer Haltung von Dankbarkeit heraus etwas zu tun. Dankbar zu sein, dass ich jemand bin, der in die Schule gehen konnte, eine Familie und vielleicht auch Arbeit. Und aus dieser Dankbarkeit heraus, überlege ich dann, wie ich etwas abgeben kann. Und das ist dann an der Ahr genauso gut eingesetzt wie in Nigeria oder in anderen Teilen der Welt.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht (KNA)
Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR