Gebete für entführte Missionare und Frieden in Haiti

"Gagot" - "totales Chaos"

Katholische Kirchenführer in den USA haben sich besorgt über die Lage in Haiti geäußert und zum Gebet aufgerufen. Unterdessen forderten die Entführer der 17 Missionare pro Kopf eine Million US-Dollar Lösegeld.

Autor/in:
Thomas Spang
Haiti zählt zu den ärmsten Ländern der Erde / © Serhii Mykhalchuk (shutterstock)
Haiti zählt zu den ärmsten Ländern der Erde / © Serhii Mykhalchuk ( shutterstock )

Ein Ultimatum der Geiselnehmer gibt es nicht. Aber seit Dienstag liegt eine klare Forderung für die Freilassung der entführten Missionare und ihrer Angehörigen durch die Gruppe vor, die sich "400 Mawozo" nennt. Wie Haitis Justizministerin Liszt Quitel bestätigte, verlangen die Kidnapper von der Hilfsorganisation Christian Aid Ministries 17 Millionen US-Dollar Lösegeld - eine Million pro Person.

Hinter den Kulissen hat sich unterdessen auch das US-Außenministerium eingeschaltet, das sich mit der öffentlichen Kommentierung der Entführung betont zurückhält. Es blieb unklar, ob es Verhandlungen über Lösegeldzahlungen gibt und wer diese am Ende aufbringen könnte. Laut Experten ist es nicht ungewöhnlich in Haiti, dass Gangs zunächst unrealistisch hohe Forderungen stellen.

Katholische US-Bischöfe weniger zurückhaltend

Während das von Mennoniten, Amischen und Baptisten getragene US-Hilfswerk öffentlich lediglich um "Gebete" bittet und das Außenministerium Zurückhaltung wahrt, sprachen katholische Bischöfe Klartext.

Der Erzbischof von Miami, Thomas Wenski, gebraucht ein kreolisches Wort, um die Lage in dem ärmsten Staat der westlichen Hemisphäre zu beschreiben. Der Haiti-Experte der US-Bischofskonferenz sprach von einem "Gagot", was auf Deutsch so viel heißt wie "totales Chaos". Wenski sagte dem Online-Portal Crux, die Lage in dem Inselstaat sei "seit langer Zeit nicht so schlimm gewesen".

Es sei fraglich, wie sich die Dinge kurzfristig verbessern könnten. "Immer wenn man denkt, das Land sei ganz unten angekommen, fällt es noch tiefer", so Wenski. Besonderes Kennzeichen sei die außer Kontrolle geratene Sicherheitslage. Große Teile der Hauptstadt Port-au-Prince, aber auch des Hinterlandes seien rivalisierenden Gangs ausgeliefert, die das Vakuum nutzen, das durch die dysfunktionalen Sicherheitskräfte Haitis entstanden ist.

Gruppe für Entführungen auch größerer Gruppen bekannt

Die Missionare der Christian Aid Ministries und deren Angehörige gerieten ins Visier einer Gang, die für Entführungen nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch größerer Gruppen bekannt ist. Sie schreckt Medienberichten zufolge auch nicht davor zurück, Geistliche während der Predigt aus der Kirche zu entführen. Die Mitglieder von "400 Mawozo" stehen zudem unter Verdacht, am Dienstag den Künstler und Bildhauer Anderson Belony ermordet zu haben.

Der Bischof von Brooklyn, Robert Brennan, in dessen Diözese die Hilfsorganisation ihren Hauptsitz hat, äußerte wie Wenski seine tiefe Besorgnis über das Schicksal der verschleppten Missionare, die ein Kinderheim besucht hatten. "Ich bete für ihre sichere Rückkehr und für ihre Familien", sagte Brennan, der die Haitianer ausdrücklich einschloss. "Als Katholiken bitten wir unsere 'Liebe Frau der ewigen Hilfe', die Patronin Haitis, um die Fürsprache beim Herrn für Frieden."

Tatsächlich sehnen sich die Menschen in dem Inselstaat nach einem Stück Normalität. Die aktuelle Misere begann mit der Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Juli durch politische Gegner. Im August erschütterte ein Erbeben das Land. 2.100 Menschen starben, mehrere tausend erlitten teils schwere Verletzungen. Die Bergungs- und Aufräumarbeiten erschwerte zu allem Überfluss dann der Tropensturm "Grace".

US-Präsident Biden fortlaufend über das Schicksal unterrichtet

Die von Erzbischof Wenski als totales Chaos beschriebene Lage nutzten die Gangs für ihre Ziele. Allein zwischen Juli und September kam es laut dem Center for Analysis and Research in Human Rights (CARDH) zu 221 Entführungen, Tendenz deutlich steigend. Im April waren auch fünf katholische Priester, zwei Ordensschwestern und drei Angehörige verschleppt und später wieder freigelassen worden. Es ist nicht bekannt, ob damals Lösegeld floss.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte, Präsident Joe Biden werde vom Außenministerium und dem FBI fortlaufend über das Schicksal der entführten Missionare und deren Familien unterrichtet. "Ich kann bestätigen, dass sich die US-Botschaft in Port-au-Prince mit den örtlichen Behörden koordiniert, um den Familien zu helfen, die Situation zu klären."

Der Vizedirektor des Nationalen Zentrums für das haitianische Apostolat mit Sitz in Brooklyn, Pierre-Andre Pierre, verlangte "die bedingungslose Freilassung der Missionare". Das Vorgehen der Gang sei "völlig inakzeptabel".


Nach dem Erdbeben auf Haiti / © Joseph Odelyn (dpa)
Nach dem Erdbeben auf Haiti / © Joseph Odelyn ( dpa )

Miamis Erzbischof Thomas Wenski (KNA)
Miamis Erzbischof Thomas Wenski / ( KNA )

Jovenel Moise / © Dieu Nalio Chery/AP (dpa)
Jovenel Moise / © Dieu Nalio Chery/AP ( dpa )

US-Präsident Joe Biden / © Patrick Semansky/AP (dpa)
US-Präsident Joe Biden / © Patrick Semansky/AP ( dpa )
Quelle:
KNA
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