Vor zehn Jahren beendete die ETA ihren bewaffneten Terror

Die Wunden in der Gesellschaft heilen nur langsam

Am 20. Oktober 2011 erklärte die ETA ihren "bewaffneten Kampf" für beendet. Doch die Wunden, die 40 Jahre Unabhängigkeitskampf mit 850 Todesopfern verursacht haben, eitern noch immer, meinen die Bischöfe im Baskenland.

Autor/in:
Manuel Meyer
Symbolische Zerstörung von Waffen in Spanien / © Eduardo Parra (dpa)
Symbolische Zerstörung von Waffen in Spanien / © Eduardo Parra ( dpa )

Es waren die inhaftierten Terroristen, die um das Treffen baten. Sie hatten sich von der Terrororganisation ETA und deren blutigen Kampf für die Unabhängigkeit des nordspanischen Baskenlandes losgesagt und wollten den von ihnen angerichteten Schaden - soweit möglich - wieder gutmachen.

"Der Schritt war nicht leicht für mich. Ich wollte aber das Warum und Wie wissen. Die Entschuldigung war für mich eher zweitrangig", erklärt Maixabel Lasa im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). So traf sich die heute 70-Jährige gleich mehrmals mit den beiden ETA-Terroristen, die am 29. Juli 2000 ihren Mann, den sozialistischen Politiker Juan Mari Jauregui, kaltblütig mit einem Schuss in den Nacken hinrichteten.

Heiliende Wirkung des Zuhörens und mitenander Sprechens

Ibon Etxezarreta, einen der beiden Terroristen, nahm sie sogar mit zur jährlichen Gedenkfeier für ihren Mann. Er hatte sie um die Möglichkeit gebeten, sein Opfer vor den Augen aller mit einer Kranzniederlegung symbolisch um Verzeihung bitten zu können. Maixabel glaubt an die heilende Wirkung des Zuhörens und miteinander Sprechens - und daran, dass jeder eine zweite Chance verdiene.

Später bewegte sie auch andere ETA-Opfer, Reue suchenden Terroristen die Möglichkeit zu geben, sich den Hinterbliebenen zumindest erklären zu können. Die Frau mit den kurzen eisgrauen Haaren wurde zu einem Vorzeigebeispiel und Impuls für den baskischen Friedensprozess. Doch leider seien Menschen wie Maixabel bisher noch die Ausnahme, gibt San Sebastians Bischof Jose Ignacio Munilla zu bedenken.

Wunde eitert schmerzlich weiter

Am 20. Oktober 2011 erklärte die ETA ihren "bewaffneten Kampf" für beendet. Die Gräben, welche der über 40 Jahre lange Unabhängigkeitskampf der ETA und die 850 Todesopfer in der baskischen Gesellschaft hinterlassen haben, seien aber noch sehr tief, betont Munilla.

Vor allem im separatistischen Lager waren "aufrichtige Bitten um Vergebung bisher eher die Ausnahme", so der Bischof. "Stolz, Fanatismus und Hass sind zum größten Teil über das Ende der Terroraktionen hinaus präsent. Es ist ganz offensichtlich, dass die durch ETA zwischen uns verursachte Wunde falsch geschlossen wurde. Sie eitert vielmehr schmerzlich weiter. Zehn Jahre später braucht unser Volk eine tiefe moralische und spirituelle Erneuerung", sagte Bischof Munilla der Zeitung "Diario Vasco".

Die katholische Kirche hilft derzeit, wo sie kann, um den Dialog zwischen Opfern und Tätern, Separatisten und Nicht-Separatisten zu fördern. Dennoch musste auch die Kirche um Vergebung bitten. Bereits 2018, als die ETA begann, sich langsam aufzulösen, erklärten die baskischen Bischöfe in einem Kommunique, dass zwar viele Männer und Frauen, aus denen die Kirche bestehe, ihr Bestes für den Frieden und das friedliche Zusammenleben gegeben hätten. "Wir sind uns aber bewusst, dass es auch bei uns Mittäter, Unklarheiten und Versäumnisse gegeben hat, für die wir aufrichtig um Vergebung bitten", hieß es in der Erklärung weiter.

Unabhängigkeitsprozess spaltet auch heute noch

Die meisten Priester im Baskenland verurteilen zwar die Gewaltakte der Terrorbande, unterstützten zugleich aber lange das politische Ziel der ETA. In einigen Gemeinden weigerten sich etwa Priester, Gedenkgottesdienst für ETA-Opfer zu halten, um "den sozialen Frieden
nicht zu gefährden". Manche gewährten sogar ETA-Terroristen auf der Flucht vor der Polizei Unterschlupf in Kircheneinrichtungen.

Die ETA und der Unabhängigkeitsprozess spalten auch heute noch die baskische Kirche. Das zeigte im Februar die Polemik um einen ETA-Dokumentarfilm, in dem Inaki Arteta, Priester der baskischen Pfarrgemeinde Lemoa, sich fragte, ob der "Kampf eines unterdrückten Volkes" wirklich Terrorismus sei. Im Sommer entband der Bischof von Bilbao, Joseba Segura, den Priester endgültig von seinen Aufgaben. Segura, der lange als Vermittler bei den Verhandlungen zwischen der Regierung und der ETA half, spricht von Frieden als "Herausforderung", in die im Baskenland auch zehn Jahre nach dem Ende der ETA noch viel Kraft investiert werden müsse.


Polizei in Spanien / © N.N. (shutterstock)

Guernica Gemälde von Picasso (KNA)
Guernica Gemälde von Picasso / ( KNA )
Quelle:
KNA
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