Zu Besuch in Sloweniens schönstem Inselheiligtum Bled

99 Stufen und eine Wunschglocke

Blickfang im nordwest-slowenischen See von Bled ist das Marienheiligtum, das sich aus dem Grün erhebt. Bootstouren führen hin, 99 Treppenstufen hinauf. Im Inneren der Kirche darf man die Wunschglocke läuten.

Autor/in:
Andreas Drouve
Insel Bled / © JGA (shutterstock)

Der See von Bled zählt zu den Höhepunkten einer Slowenien-Reise. In Türkis- und Blautönen liegt er da, kontrastreich umkränzt von Grün und Hügeln. Über den Ufern sitzt die Burg einem Felsmassiv majestätisch auf, während das Inselchen mittendrin mit dem Heiligtum der Gottesmutter des Sees seit dem Mittelalter die Wallfahrer anlockt. Die Kirche zeichnet sich aus dichtem Busch- und Waldbestand ab.

Im Fremdenverkehrs- und Luftkurort Bled, wenige Kilometer südlich der österreichischen Grenze gelegen, starten Elektroboote zur Insel.

Ebenso ökologisch und noch schöner ist es, ein Pletna-Boot zu besteigen und auf den langen, sorgsam lackierten Holzbänken Platz zu nehmen. Der Bootstyp lehnt sich an das Vorbild venezianischer Gondeln an. Für das Fortkommen im Schneckentempo sorgt ein Stehruderer mit seiner Muskelkraft. Des Navigators leichte Atemstöße und das Plätschern und Gurgeln des Wassers sind die Begleitgeräusche hinüber, bis nach einer Viertelstunde der Anleger kurz vor der Freitreppe erreicht ist.

99 Stufen hinauf zum Heiligtum

99 Stufen führen hinauf zum Heiligtum, wo Reiseführerin Romana Bohinc heute die Gäste erwartet. Nicht alle kommen als Wallfahrer. Bohinc erlebt auch, das Menschen über den beliebten Badesee hinüber schwimmen und in Badekluft nach wasserdicht verpacktem Geld fingern - nur um im Cafe beim Sanktuarium ein Eis zu kaufen. Halbnackt, so nah bei Maria, das gehe nicht, empört sich Bohinc. Viel lieber mag sie da den alten Hochzeitsbrauch, der den Bräutigam ins Schwitzen bringt, wenn er die Braut vom Anleger die breite Treppe hochträgt.

Vorläufer des Heiligtums war eine heidnische Kultstätte für Ziva (auch: Siva), die Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit. Nach der Christianisierung im 8. Jahrhundert kam es bald zum Bau einer ersten Kapelle zu Ehren von Mariä Geburt. Im Laufe des Mittelalters folgten ein romanisches und dann ein gotisches Gotteshaus.

Wer die Kirche besichtigen möchte, muss dafür zahlen - zwölf Euro Eintritt, inklusive Turmbesteigung; Slowenien ist kein Billigreiseziel. Aber die Investition lohnt sich. Obgleich später barock umgestaltet, fühlen sich Gäste vom Innern des einschiffigen Heiligtums nicht erschlagen. Seitenaltäre sind dem heiligen Blasius und Maria Magdalena geweiht. Der golden glänzende Hochaltar datiert aus dem 18. Jahrhundert und ist reich mit figürlichen Schnitzwerken dekoriert.

Umgeben von einer Engelsschar, strahlt die Skulptur der Gottesmutter Güte und Weisheit aus, während der Sohn eher gedankenverloren dreinschaut. Etwas übertrieben wirkt Marias Haar, das unter der Krone wie frisch onduliert wirkt, und ebenso das leuchtende Rot ihrer Lippen. Dagegen fällt die Farbkraft der gotischen Fresken ab, von denen sich Reste im Altarraum erhalten haben.

Einmal an der Wunschglocke ziehen

Mitten in den Kirchenraum hinein hängt das Seil der Wunschglocke, an dem man hier ziehen darf - ein beliebtes Ritual. "Im selben Moment muss man sich etwas wünschen, das dank der Muttergottes in Erfüllung geht", erläutert Bohinc das Ritual. Damit die Menschen es besser greifen können, hat das Seil unten zwei Knoten. Ein kurzes Zupfen reicht aber nicht: Man muss schon zwei, drei Mal kräftig daran ziehen, bis oben die Glocke reagiert. Dass sich das Seil etwas speckig anfühlt, liegt an den vielen Besuchern, die bereits ihre Wünsche gen Himmel geschickt haben.

Separat vom Baukörper steht der 52 Meter hohe Kirchturm. Lohn der Aufstiegsmühen sind traumhafte Ausblicke auf den Ort Bled, die Burg und im Hintergrund die Karawanken, die als Bergbarriere nach Österreich aufsteigen. Was Führerin Bohinc nicht erwähnt hatte: Man sollte nicht zur vollen Stunde oben im Turm sein! Denn dann geht das Glockengeläut durch Mark und Bein.

Beim Abgang erholt man sich von dem lautstarken Schreck mit einigen Tafeln voller Bibelzitate, etwa jenem aus Jesus Sirach 18,25: "Sei eingedenk der Zeit des Hungers zur Zeit des Überflusses, der Armut und Not in den Tagen des Reichtums." Oder, kürzer, aus Ijob 35,5: "Zum Himmel blicke auf und schaue!" Erdverbundener wird da es im Cafe des Heiligtums. Dort gibt es das Traditionsgebäck "Potica", gefüllt mit Walnüssen. Ein wundervoll süßer Abschluss des Ausfluges zum Inselheiligtum.


Quelle:
KNA