Vor 25 Jahren wurde in Burundi Erzbischof Ruhuna ermordet

Er öffnete sein Bischofshaus für Flüchtlinge

Die Bürgerkriege, Morde und Massaker der 90er Jahre in Ruanda und Burundi hängen unmittelbar zusammen. Einer, der konsequent für Frieden und Dialog eintrat, gehörte vor 25 Jahren auch zu den Toten.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Straßenszene / © Steve Barze (shutterstock)

Es ist schön in Burundi, dem kleinen, fruchtbaren Hügelland im Osten Afrikas. Die rote Erde, die fröhlichen Menschen könnten den Betrachter einlullen in ein vermeintliches Idyll - wüsste man nicht um all die existenziellen Probleme: dramatische Überbevölkerung, bitterste Armut, Flüchtlingselend, Bildungsnotstand, Folgen auch eines jahrelangen Bürgerkriegs, von ethnischen Dauerfehden, Rechtlosigkeit und Rachegefühlen.

Vor 25 Jahren, am 9. September 1996, wurde Joachim Ruhuna, Erzbischof von Gitega, von Hutu-Rebellen erschossen, seine Leiche verschleppt. Auch zwei Ordensfrauen starben. Ein damals junger Seminarist, Pfarrer Jean-Marie Kazitonda, berichtete Jahre später der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), er habe an jenem Nachmittag bei der Rückkehr vom Seminar von Burasira eigentlich ebenfalls im Jeep sitzen sollen. Doch der Erzbischof entschied unmittelbar vor der Abfahrt: "Ich fahre mit den Schwestern."

Katholische Kirche genießt hohes Vertrauen

Die Ermordung Ruhunas, der 1993 sein Bischofshaus für Flüchtlinge öffnete und so wohl Hunderte vor ihren Mördern rettete, war ein trauriger Höhepunkt des Bürgerkrieges (1993-2003). "Erzbischof Ruhuna war ein Stachel im Fleisch derer, die nichts von Versöhnung hören wollten", so Kazitonda. Ihm und Ruhunas Nachfolger, Erzbischof Simon Ntamwana, liegt daher das kirchliche Werk "Neues Leben in der Versöhnung" besonders am Herzen.

Angesichts von Chaos und Ausweglosigkeit in den Dauerkrisen genießt die katholische Kirche großes Vertrauen und hohes moralisches Ansehen in der Bevölkerung. Etwa zwei Drittel der inzwischen mehr als 11,5 Millionen Burundier sind katholisch. Hunderte Schulen, Kindergärten und Wohlfahrtseinrichtungen der Kirche gehören zum wenigen, auf dem das Gemeinwesen des armen und überbevölkerten Agrarstaates gründet. Kirchliche Stellen vergeben Kleinkredite für Händler und Handwerker, kümmern sich um Aids-Waisen, fördern die schwierige Versöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi.

Letzter König floh in die Bundesrepublik

Blutige Konflikte prägten Burundi im 20. Jahrhundert. Joachim Ruhuna wurde am 27. Oktober 1933 in Nyabikere nordöstlich von Gitega geboren, der alten Königsstadt Burundis. Der letzte König, Ntare V., floh 1966 vor einem Tutsi-Staatsstreich in die Bundesrepublik Deutschland; der eigentliche Auftakt der folgenden Bürgerkriege.

Binnen weniger Jahre beseitigte der neue Machthaber Michel Micombero fast alle Hutu und gemäßigten Tutsi aus der Führung von Verwaltung, Armee und Polizei. Doch er bevorzugte seinerseits Leute aus seiner Heimatregion und brachte so auch eigentlich gleichgesinnte radikale Tutsi gegen sich auf. 

Bis zu 250.000 Hutu vom Militär getötet

Die Lage eskalierte, als der entmachtete König Ntare V. Ende März 1972 aus dem ugandischen Exil ins Land zurückkehrte und festgesetzt wurde. Es folgten Massenverhaftungen von Hutu, die in einen Aufstand mündeten. Micombero behielt aber die Oberhand und ließ den König ermorden. 1972 tötete das Militär in Burundi 100.000 bis 250.000 Hutu, weitgehend unbeachtet von der westlichen Weltöffentlichkeit. Die gesamte Bildungs- und politische Elite der Hutu war tot oder ins Ausland geflohen. Micombero hielt sich noch bis 1976 - dann wurde er auch er von Obristen weggeputscht.

Der spätere Erzbischof Ruhana gehörte dem Volk der Tutsi an. Er hatte seinen Abschluss in Theologie im kongolesischen Kinshasa gemacht und wurde 1962 zum Priester geweiht. Nach einer Studienzeit in Rom leitete er ab 1970 als Rektor das Seminar von Bujumbura. 1973 wurde Ruhuna zum ersten Bischof der Diözese Ruyigi ernannt, 1982 zum Erzbischof von Gitega.

In Kathedrale von Gitega beigesetzt

Im benachbarten Ruanda waren die ethnischen Verhältnisse umgekehrt, die Frontstellungen jedoch dieselben: zwei rivalisierende Volksgruppen, zusätzlich verstrickt in Stellvertreterkonflikte des Kalten Krieges. Im Gedächtnis der Hutu in Ruanda blieb das Tutsi-Massaker von 1972 an den Hutu im Nachbarland Burundi als Fanal haften. Als dann Exil-Ruander Anfang der 90er Jahre den Norden Ruandas angriffen, um die Rückkehr von Tutsi-Flüchtlingen zu ermöglichen, sahen radikale Hutu ihre Stunde der Rache gekommen: Es folgte der berüchtigte Ruanda-Völkermord 1994.

In Burundi hatte der Bürgerkrieg (1993-2003) schon früher begonnen. Abertausende Menschen starben, darunter auch viele Familienmitglieder von Erzbischof Ruhuna; insgesamt wurden mehr als 1,3 Millionen Menschen zu Flüchtlingen. Ruhuna, selbst ein Tutsi, setzte sich weiter vehement für Frieden und Dialog zwischen den beiden Volksgruppen ein. Am 13. Juli 1996 verurteilte er bei der Beisetzung der 306 Tutsi-Opfer des "Massakers von Bugendana" die Täter scharf - und unterzeichnete damit womöglich sein eigenes Todesurteil.

Ruhunas Leiche wurde am 17. September in einem Massengrab etwa drei Kilometer vom Ort des Hinterhalts gefunden. An der Trauerfeier am 19. September nahm auch Kurienkardinal Jozef Tomko als Vertreter des Papstes teil. Ruhuna wurde in der Kathedrale von Gitega beigesetzt. Sein Rückgrat konnten die Mörder nicht brechen.


Simon Ntamwana, Erzbischof von Gitega in Burundi / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Simon Ntamwana, Erzbischof von Gitega in Burundi / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Jesus-Figur neben den Schädeln der ermordeten Tutsi (dpa)
Jesus-Figur neben den Schädeln der ermordeten Tutsi / ( dpa )
Quelle:
KNA
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