Reihe "Katholizismus seit 1945" nach 23 Jahren vollendet

Neues Werk zur Kirchengeschichte Afrikas

Es gibt sie noch, die guten Dinge. Still und unerwartet ist ein neues Referenzwerk in die theologische Bücherwelt gekommen. Es trägt den schlichten Titel "Band 8: Afrika" und ist für ein Fachpublikum eine große Freude.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
In der Kapelle von Burhale (Kongo) steht ein Kreuz auf dem Altar / © Harald Oppitz (KNA)
In der Kapelle von Burhale (Kongo) steht ein Kreuz auf dem Altar / © Harald Oppitz ( KNA )

"Habent sua fata libelli" - ·Bücher haben ihre Schicksale. Das Zitat des lateinischen Grammatikers Terentianus Maurus passt oft - und sehr gut auch in diesem Fall.

Denn als 2010 der bislang letzte und siebte Band der Reihe "Kirche und Katholizismus seit 1945" über die Christen im Nahen Osten und Nordafrika erschien, machte der Schöningh-Verlag kaum noch Hoffnung, dass der fehlende Band über die Kirchengeschichte des subsaharischen Afrika tatsächlich zustande kommen würde. Welche Freude für die Fachwelt, dass das Verlagsprogramm elf Frühjahre später das Gegenteil und damit Vollzug bestätigte.

Nach insgesamt 23 Jahren plus Vorlaufzeit ist nun also die Weltreise der neuesten Kirchengeschichte seit 1945 zu Ende geführt, die die Weltkirche in kurzen, konzisen Aufsätzen über einzelne Regionen und Staaten in den Blick nimmt.

Eigentlich müssten nun - horribile dictu - die bis 2002 erschienenen Bände über Europa und Nordamerika im Licht von Missbrauchsskandalen, fortgeschrittener Säkularisierung, Postwende-Wandel und Brexit neu oder grundlegend fortgeschrieben werden. Doch auch so liegt jetzt ein wichtiges Kompendium vor.

Tod des Gesamtherausgebers war eine Zäsur

Der Tod des Gesamtherausgebers, des deutsch-römischen Kirchenhistorikers Erwin Gatz, 2011 schien einen Schlussstrich unter das Projekt gemacht zu haben. Selbst Gatz hatte keinen Verantwortlichen für einen Band über die Länder des subsaharischen, postkolonialen Schwarzafrika finden können.

Doch schließlich übernahm der Orientalist Harald Suermann (64), Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts Missio, der sich schon um den Nahost- und Nordafrika-Band verdient gemacht hatte, den Stab als Gesamtherausgeber.

Marco Moerschbacher (57), Afrika-Referent beim Missionswissenschaftlichen Institut Missio Aachen, fungierte als Herausgeber des nun vorliegenden Bandes. 29 internationale Autoren, die meisten davon selbst Afrikaner, waren zu finden, zu briefen, zu redigieren, zu übersetzen und zu harmonisieren.

Wichtiger Bestandteil dieses Handbuchs im besten Sinne des Wortes sind zwei übergreifende Einführungskapitel, die sich mit der Rolle des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen für Afrika sowie mit der Identität und weltkirchlichen Verortung der afrikanischen Ortskirchen befassen.

Afrikas entscheidende Entwicklungen

Gilt 1945 in der westlichen Welt neben 1914/18 und 1989 als das einschneidende Datum des 20. Jahrhunderts, so sieht das in Afrika anders aus. Hier sind vor allem die Erreichung staatlicher Unabhängigkeit (1948-1974) und im kirchlichen Bereich das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) mit seinem weltkirchlichen Aufbruch die entscheidenden Entwicklungen.

Was das volkskirchliche Potenzial im subsaharischen Afrika angeht - auch im Vergleich zum immer weiter säkularisierten Westen -, so lässt schon eine einleitende Statistik für die Jahrzehnte zwischen 1949 und 2015 aufhorchen: fast eine Verdreifachung der Katholiken gemessen an der (freilich enorm wachsenden) Gesamtbevölkerung; eine Vervierfachung der Priesterzahlen; 20 mal so viele Priesteramtskandidaten, 5 mal so viele Ordensfrauen und 25 mal so viele höhere Schülerinnen und Schüler. Was hier nur holzschnittartig skizziert werden kann, sind natürlich komplexe und je regional zu differenzierende Vorgänge.

Umfassende Kirchengeschichte 

Kirche und Kolonialmacht; Kirche und Politik; Kirche in Diktaturen, Bürgerkriegen und regionalen Konflikten; Mission, Evangelisierung und Inkulturation; die Rolle der Ordensgemeinschaften; Ökumene und interreligiöser Dialog in Ländern, in denen der Islam Mehrheits- und zuweilen Staatsreligion ist und sich Christen in einer Minderheitensituation befinden: Das sind nur einige der übergreifenden Themen.

Wohl nirgends sonst findet man derzeit eine so prägnante und aktuelle deutschsprachige Kirchengeschichte Tansanias oder Ruandas, Kameruns, Guinea-Conakrys oder Südafrikas, auch wenn Qualität und Tiefe der einzelnen Länderbeiträge teils durchaus unterschiedlich ausfallen. Es liegt nun ein sehr willkommenes Arbeitsmittel zum Verständnis der katholischen Teilkirchen in einer teils komplexen, ja verwirrenden Region vor, von der man in der Weltkirche noch hören wird.


Quelle:
KNA