Wie schützt die OSZE Religionsgemeinschaften?

"Ein Schatz, der gepflegt werden muss"

Mit ihren 57 Teilnehmerstaaten ist die OSZE die weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation. Dabei kümmert sie sich auch um den Schutz von Christen und anderen Gläubigen und pflegt gemeinsame Werte. Auch wenn die Pandemie die Arbeit erschwert.

OSZE-Flaggen von dem Kongresszentrum in Wien / © Karl Allen Lugmayer (shutterstock)
OSZE-Flaggen von dem Kongresszentrum in Wien / © Karl Allen Lugmayer ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sicherheit und Zusammenarbeit. Zwei wichtige Punkte, damit Europa funktioniert. Dafür sorgt zum Beispiel die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, seit 1975. Regina Pollack ist Teil von ihr, hat zum zweiten Mal ein Amt in der Organisation inne und kämpft da gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung mit Fokus auf Christen und Angehörige anderer Religionen. Frau Polak, was tun Sie für Gläubige? Was können sie für Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten usw. tun?

Regina Polak (Katholische Theologin und Sonderbeauftragte der OSZE im Kampf gegen Rassismus): Meine und die Aufgabe der anderen representatives besteht darin, die an der OSZE beteiligten Staaten bei der Umsetzung der commitments zu unterstützen, zu denen sie sich im Rahmen ihrer OSZE-Zugehörigkeit verpflichtet haben. Dazu gehört auch der Kampf gegen Diskriminierung aufgrund von religiösen Gründen oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Es geht also um den Schutz der Religionsfreiheit, um das Recht, die eigene religiöse Überzeugung auch praktizieren zu können.

Ganz konkret hat der schwedische Vorsitz jetzt einen Schwerpunkt auf Hassverbrechen gelegt. Das sind rechtlich zur verfolgende Übergriffe, wie z.B. Friedhofschändungen oder Vandalismus gegenüber religiösen Gebäuden, die aufgrund eines Vorurteils gegenüber Angehörigen einer bestimmten Religion erfolgt sind.

DOMRADIO.DE: Als Sonderbeauftragte der OSZE schauen Sie auf Themen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung. Anfang des Jahres wurden Sie darin bestätigt. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Polak: Die Hauptaufgabe besteht darin, sogenannte country visits zu machen, also Länder zu besuchen und dort mit Ministern, Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Aktivisten, mit Vertretern von Religionsgemeinschaften ins Gespräch zu kommen. Und da schauen wir: Wie steht es mit diesen commitments? Wie steht es mit der Förderung von wechselseitigem Verständnis? Wie steht es mit der Einhaltung von Religionsfreiheit? Und dann werden unterschiedliche Vorschläge und Empfehlungen in einem Report zusammengefasst, die die Staaten dabei unterstützen, diesen Verpflichtungen besser nachzukommen.

DOMRADIO.DE: Ein Jahr lang hatten Sie das ja schon gemacht. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Polak: Das war für mich ein Ausnahmejahr, weil ich in diese Aufgabe quasi online gestiegen bin. Die Corona-Krise hat ja auch die OSZE betroffen. Das heißt, die meiste Zeit habe ich in Online-Konferenzen verbracht. Ich habe auch bei Trainings mitgearbeitet, wo Aktivisten der Zivilgesellschaft dabei unterstützt worden sind, Hassverbrechen zu identifizieren, wo wir erarbeitet haben, wie so ein Meldesystem ausschaut, bei dem man diese Form der Diskriminierung auch erkennen kann.

Ich habe mit mit Jugendlichen ein Webinar gemacht, wo es um die Frage ging, wie kann man junge Menschen unterstützt. Das sind ganz zentrale Aufgaben des sogenannten Office for Democratic Institutions and Human Rights, einer Bildungsinstitution der OSZE, die hervorragende Arbeitsunterlagen zur Verfügung stellt.

DOMRADIO.DE: Am vergangenen Sonntag war der Internationale Tag gegen Rassismus. Wie stark wirkt sich die Corona-Pandemie auf rassistische Anfeindungen und zwischenmenschliche Konflikte aus?

Polak: Das macht ein Problem, das in den OSZE-Regionen schon sehr stark ausgeprägt ist, nochmal prekärer. Es gibt einen Report darüber, wie Staaten auf die Pandemie reagieren. Und da konnten wir beobachten, dass Diskriminierungen, Übergriffe, aggressive Attacken gegenüber Vertretern von Minderheiten, von religiösen Gruppen, von ethnischen Minderheiten, von Minderheiten bezüglich der sexuellen Orientierung ein massives Problem sind. Die Pandemie verschärft das nochmal.

DOMRADIO.DE: Wie kann man sich dabei dann auf gemeinsame Werte verständigen?

Polak: Ja, das sind ganz mühsame Prozesse der Auseinandersetzung. Die kann man nur immer wieder regelmäßig in Erinnerung rufen. Und was ich persönlich für eine ausgezeichnete praktische Konsequenz halte, ist best practice models zu präsentieren. Das sind Modelle, wo z.B. mit der Gruppe der Roma und Sinti gemeinsam daran gearbeitet wird, dass sie im Kontext der Corona-Pandemie besseren Zugang zu Gesundheitsstellen, Gesundheitsinformationen bekommen, Übergriffe gegenüber Frauen besser gemeldet werden können oder die Wohnungssituation verbessert wird. Das ist wirklich eine Basisarbeit, die viel Geduld und immer wieder diskutieren und Dialog führen umfasst.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für den Frieden und die Zusammenarbeit in Europa bzw. für die 57 Staaten der OSZE?

Polak: Mit Blick auf mein Mandat würde ich sagen, sich immer wieder daran zu erinnern und auch stolz darauf zu sein, wieviel da an gemeinsamen Überzeugungen bereits vorliegt und wieviel an Praxis-Modellen und an konkreten Ideen vorliegt. Das ist ein unglaublicher Schatz, auf den diese Staaten zurückschauen können und den gilt es sorgsam zu pflegen und umzusetzen. Und zwar auf allen Ebenen. Es gibt die Ebene der Regierungen. Aber die Zivilgesellschaft muss viel mehr mit einbezogen werden und vor allen Dingen die jungen Leute müssen gefördert werden.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR
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