Ein Besuch bei christlichen Pfadfindern in Syrien

Verantwortung tragen für die jüngere Generation

Die Pfadfinder sind nicht nur in Europa und den USA aktiv. Sie sind beispielsweise aus dem Leben syrischer Christen nicht wegzudenken. Die Scouts helfen jungen Menschen, ihr Vertrauen in die Gesellschaft zu stärken.

Autor/in:
Karin Leukefeld
Lilie auf der Uniform eines Pfadfinders / © tGfoto (shutterstock)
Lilie auf der Uniform eines Pfadfinders / © tGfoto ( shutterstock )

Dona ist 22 Jahre alt und spielt Trompete bei den Scouts des Syrisch-Orthodoxen Patriarchats Bab Touma in der Altstadt von Damaskus. Sie vermisst ihre Freunde, die Syrien vor Jahren verlassen haben. Einige hätten in Schweden eine eigene Scouts-Gruppe ins Leben gerufen, sagt sie: "Wir hoffen, dass sie eines Tages zurückkehren und wir uns alle wiedersehen."

Auch George Farrah gehört zu den Scouts des Syrisch-Orthdoxen Patriarchats von Bab Touma. Der 22-jährige Student der Betriebswirtschaftslehre engagiert sich für die jüngeren Scout-Gruppen. Auf die Frage, ob er Syrien angesichts der vielen wirtschaftlichen Probleme nicht verlassen möchte, kommt ein klares Nein: "Wer wird dann der jüngeren Generation helfen, mit den Problemen in ihrem Leben klarzukommen?!" Er habe Verantwortung für die Jüngeren.

Handwerk, Musik und Vertrauen

Die Scouts, die Pfadfinder, sind aus dem Leben syrischer Christen nicht wegzudenken. Das bestätigt auch Fayez Jacoub aus der griechisch-katholisch-melkitischen Gemeinde St. Georg in Aleppo. Der heute 30-Jährige war vier Jahre alt, als seine Eltern, selber aktive Scouts, ihren Sohn in die Gruppe der Jüngsten in der Kirche St. Georg gaben. Heute ist Fayez verantwortlich für rund 240 Scouts der Gemeinde im Stadtteil Sulaimaniye.

Die Arbeit mit den Scouts sei sein Leben, sagt der hochgewachsene Mann lächelnd. 2011 habe die Gemeinde 450 Kinder und Jugendliche in Gruppen unterschiedlichen Alters gehabt, 2014 seien davon 150 geblieben. Alle anderen hätten mit ihren Familien das Land verlassen, sagt er leise. Beste Freunde und Freundinnen wurden getrennt. Es sei ein gutes Zeichen, dass die Zahl der Pfadfinder in der St.-Georg-Kirche inzwischen wieder auf 260 angestiegen ist.

Bei den Scouts werden Kinder und Jugendliche christlicher Familien geformt. Sie machen Spiele, Sport, sie handwerken und lernen, ein Instrument zu spielen. Höhepunkt des Jahres ist das Sommercamp, bei dem die jungen Leute zelten, kochen und die Natur entdecken. Sie lernen, was Ehrlichkeit bedeutet, sie lernen, sich und anderen zu vertrauen. Es gibt gesellschaftlichen, sozialen und religiösen Unterricht, erklärt Fayez Jacoub. Auf die Frage, ob die Kinder das nicht in der Schule lernen, schüttelt er den Kopf: "Nicht so, wie wir es als Christen für richtig halten."

Viel Zeit nehme er sich, um mit den Kindern und Jugendlichen über deren Probleme zu sprechen. "Manche haben Schwierigkeiten in der Schule, die Älteren haben sich vielleicht verliebt und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen." Ein wirklich großes Problem seien die "sozialen Medien", die von den Kindern und Jugendlichen in Syrien - und auch von den Eltern - sehr stark benutzt würden. "Wenn die Kinder hierher kommen, müssen sie ihre Handys abgeben und erhalten sie erst wieder, wenn sie nach Hause gehen", sagt Fayez Jacoub.

"Sie verstehen nicht, wie wir uns kleiden"

Mit dem Krieg habe sich viel für die Christen verändert, beobachtet er: "Die jungen Männer wollten nicht zur Armee und haben deshalb Syrien verlassen. Ihnen folgten die Familien. Allein aus unserem Viertel haben sehr viele Familien das Land verlassen. Dafür kamen viele Inlandsvertriebene, die eine andere Denkweise und Kultur mit sich brachten. Sie verstehen nicht, wie wir uns kleiden, dass Jungen und Mädchen ganz normal miteinander umgehen und zusammen spazieren gehen, sie verstehen unsere Musik nicht."

Es gebe zwar keinen Streit oder gar Schlimmeres, aber "wir fühlen uns nicht mehr so unbefangen, nicht mehr so frei wie früher." Die Veränderung sei so massiv, dass viele Leute den Eindruck bekamen, es handele sich um Absicht, "dass unsere Gesellschaft zerstört werden soll". Das sei ein großes Thema unter den Eltern der Scouts.

Es ist spät geworden über das Gespräch, die Kirche St. Georg liegt im Dunkeln. Es gibt nur vier Stunden Strom pro Tag. Das Elektrizitätswerk ist zerstört, die Generatoren bleiben aus, weil es an Heizöl fehlt. Dennoch spielen Kinder im Schatten des mächtigen Kirchenbaus Fußball, auch wenn sich das Spielfeld nur noch erahnen lässt. Zusammenhalten und den Widrigkeiten ihres Alltags trotzen - das gilt für die jungen Scouts nicht nur beim Kicken.


Quelle:
KNA
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