Vorwürfe gegen ehemalige FARC-Kommandanten in Kolumbien

Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bürgerkrieg

Die zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs in Kolumbien eingesetzte Sonderjustiz wirft der Ex-Guerilla-Organisation FARC schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Opfer fordern von den Verantwortlichen Konsequenzen.

Autor/in:
Tobias Käufer
Kolumbianische Fahne mit dem Abzeichen der Guerillaorganisation Farc / © Diego Pineda (dpa)
Kolumbianische Fahne mit dem Abzeichen der Guerillaorganisation Farc / © Diego Pineda ( dpa )

Die Sonderjustiz zur Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts in Kolumbien (JEP) wirft acht ranghohen Mitgliedern der ehemaligen Guerilla-Organisation FARC schwere Verbrechen zur Last. Konkret schreibt das Gericht den Mitgliedern der FARC-Kommandostruktur die Verantwortung für zahlreiche Entführungen und also Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu.

Unter den Beschuldigten ist auch der langjährige FARC-Chef Rodrigo Londono, der inzwischen die zur Partei umgewandelte Rebellenorganisation führt. Die Aufarbeitung der Geiselnahmen sei nur ein erster Schritt, hieß es aus Bogota. Die Kommandeure werden sich wohl auch wegen außergerichtlicher Hinrichtungen, Mord und Folter verantworten müssen. Die Sonderjustiz beruft sich unter anderem auf Zeugenbefragungen. Die Schärfe der Anklagen überrascht; zuletzt war der JEP vorgeworfen worden, die FARC mit Samthandschuhen anzufassen.

"Vergeben heißt nicht vergessen"

Vor knapp einem Jahr hatte die wohl prominenteste Geisel der FARC an die Sonderjustiz appelliert, die Verbrechen des Bürgerkrieges aufzuklären und zu ahnden. Die ehemalige grüne Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt hatte den Friedensvertrag ausdrücklich begrüßt, aber auch eine Aufarbeitung gefordert. "Vergeben heißt nicht vergessen", sagte sie damals.

Als Betancourt im Juli 2008 in einer spektakulären unblutigen Aktion der kolumbianischen Armee nach mehr als sechs Jahren aus den Händen der FARC befreit wurde, gingen die Bilder um die Welt. Geleitet hatte die Aktion der damalige Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, der später als Staatspräsident den Frieden mit der FARC aushandelte.

Mit Betancourt wurde damals auch ihre Vize-Präsidentschaftskandidatin Clara Rojas entführt. Sie forderte am Donnerstag einen Rücktritt der beschuldigten FARC-Kommandanten von ihren Senatsämtern. Ein Verbleib dort sei nach diesen Anschuldigungen ethisch nicht mehr vertretbar.

Entführungen seien schwerer Fehler gewesen

Im September hatte die FARC ihre früheren Geiselopfer öffentlich um Vergebung gebeten. In einem Schreiben direkt an die Angehörigen schrieb sie: "Wir können uns den tiefen Schmerz und die Qualen der Söhne und Töchter derer vorstellen, die von der FARC entführt wurden." Die Praxis der Entführungen sei ein schwerer Fehler gewesen; sie habe Verletzungen in den Seelen hinterlassen und die Glaubwürdigkeit und Legitimität der FARC beschädigt.

2016 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Santos ein Friedensabkommen mit der Rebellenorganisation geschlossen. Es beendete den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Für diesen Einsatz erhielt Santos Ende 2016 den Friedensnobelpreis. Die entwaffnete FARC sitzt inzwischen als politische Partei im Parlament.

Im Friedensvertrag sind ihr für die beiden Wahlperioden von 2018 bis 2026 unabhängig vom Wahlergebnis feste Parlamentssitze zugesagt. Vor wenigen Tagen änderte die Partei ihren Namen und nennt sich nun "Comunes". Die Installation einer Sonderjustiz zur Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts war einer der Inhalte des Friedensvertrags.


Quelle:
KNA