Republikanische Präsidenten setzen auf katholische Juristen

"Es geht um Angebot und Nachfrage"

Bei einer Bestätigung durch den US-Senat wäre Amy Coney Barrett die sechste Katholikin im Obersten Gericht der Vereinigten Staaten. Zwei von drei Richterstühlen am Supreme Court wären mit katholischen Juristen besetzt.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Supreme Court: Oberster US-Gerichtshof (DR)
Supreme Court: Oberster US-Gerichtshof / ( DR )

Sie stellen die verlässlichste Basis der Republikaner und die treuesten Anhänger Donald Trumps. Obwohl die Besetzung des Supreme Courts für viele Evangelikale das wichtigste Thema bei den Wahlen ist, kommt nicht ein einziger Verfassungsrichter aus ihren Reihen. Auch jetzt im Fall der Vakanz nach dem Tod der liberalen Richterinnen-Ikone Ruth Bader Ginsburg spielen sie keine Rolle. Kurioserweise dominieren Katholiken den Supreme Court - oft nominiert durch republikanische Präsidenten.

Joshua Wilson hat dafür eine einfache Erklärung: "Es geht um Angebot und Nachfrage", sagt der Politologe der Universität Denver. Während es insgesamt nur wenige evangelikale Rechtsgelehrte gebe, stehe das katholische Angebotsregal voll mit qualifizierten "Top-Juristen".

Wörtliche Auslegung der Bibel

Wahre Fundgruben sind die katholischen Kaderschmieden von Georgetown und Notre Dame, die eine lange Tradition als Ausbildungsstätten für säkulare Rechtsprechung haben. Die 1870 gegründete Georgetown Law School in Washington gilt als führende Adresse für Verfassungs- und Völkerrecht und ist die älteste jesuitische Rechtsfakultät der USA. Im Ansehen ebenbürtig produziert auch die Notre Dame University in Indiana juristische Spitzenkräfte in Serie.

Dagegen stehen Juristen bei den Evangelikalen unter dem Verdacht, den Glauben auszuverkaufen. Das hat mit der wörtlichen Auslegung der Bibel zu tun, die Konflikte mit dem weltlichen Recht schafft. Ihr Selbstverständnis sei, so Wilson, geprägt durch eine "Abkehr von der Mainstream-Kultur und ihrer Ablehnung etablierter, elitärer Institutionen".

Gesellschaftliche Streitfragen

Erst Mitte des vergangenen Jahrhunderts investierten Evangelikale mit der Oral Roberts University, der Liberty University oder der Regent University in höhere Bildung. Im Rechtswesen kommen diese Schulen bis heute nicht an ihre katholische oder säkulare Konkurrenz heran.

Aus Mangel an eigenen Kandidaten begannen die Evangelikalen Katholiken wie Antonin Scalia zu unterstützen, der 1986 ins Richterkollegium aufrückte. Wilson bezeichnet das als "ideologische Konvergenz". Traditionelle Katholiken vertreten in gesellschaftlichen Streitfragen wie der Abtreibung oder der "Homo-Ehe" ähnliche Ansichten. Seitdem beriefen Präsidenten sechs weitere Katholiken an den Supreme Court.

Als katholischer Block traten die Richter allerdings nie in Erscheinung. Tatsächlich standen sie für sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen. Der Politologe an der Princeton University, Matthew J. Franck, kategorisiert sie in Verfechter einer "lebendigen" Verfassung und Originalisten, die versuchen, die Verfassung textnah auszulegen. Diese Gruppe hat eine besondere Anziehungskraft auf die Evangelikalen, die bei der Auslegung der Bibel ähnlich vorgehen.

Grundsatzurteil "Roe vs. Wade"

Deshalb setzte jeder republikanische Präsident seit Ronald Reagan bei Richterernennungen auf konservative katholische Juristen. Inhaltlich ging es um das gemeinsame Ziel, das Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" des Supreme Court von 1973 zu kippen, das Abtreibungen zur Privatsache erklärt hatte.

Der Religionswissenschaftler der Universität Dartmouth, Randall Balmer, sagt, die Evangelikalen hätten ihre politischen Ziele an "konservative Katholiken ausgelagert". Deshalb sei es kein Wunder, dass deren Führer die Nominierung der Katholikin Barrett für den Supreme Court unterstützten.

Mit ihrer Bestätigung hoffen konservative Christen in den USA, ihren gemeinsamen gesellschaftspolitischen Zielen näher zu kommen. Problematisch an einem konservative Richterkollegium ist der Umstand, dass sich die Mehrheit am Supreme Court zunehmend im Gegensatz zu den Einstellungen der Bevölkerung zu Abtreibung, LGBT-Rechten und Umwelt befindet.

Schon in den kommenden Jahren wird die "Generation Z", die Geburtenjahrgänge seit 2000, den größten Wählerblock stellen - und damit in zentralen Fragen von Politik und Gesellschaft im Widerspruch zu den Hütern der Verfassung stehen.


Die konservative Juristin Amy Coney Barrett / © Alex Brandon/AP (dpa)
Die konservative Juristin Amy Coney Barrett / © Alex Brandon/AP ( dpa )
Quelle:
KNA