Wiener Votivkirche gewährt Studenten Platz zum Lernen

"Nicht unvereinbar mit der Würde des Hauses"

Die Hörsäle der Universität Wien sind wegen der vorgeschrieben Mindestabstände zu klein geworden. Die Wiener Votivkirche hat daher seit Anfang der Woche ihre Tore für Studierende geöffnet. Pfarrer Joseph Farrugia erklärt, wie das funktioniert.

Studierende nutzen die Votivkirche, um in der Corona-Krise den Vorlesungen via WLAN auf den Laptops zu folgen / © Matthias Röder (dpa)
Studierende nutzen die Votivkirche, um in der Corona-Krise den Vorlesungen via WLAN auf den Laptops zu folgen / © Matthias Röder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Studierenden in Ihre Kirche rein zu lassen?

Pfarrer Dr. Joseph Farrugia (Pfarrer in der Wiener Votivkirche): Die Universität ist an mich herangetreten, ob das möglich wäre. Warum auch nicht? Ob jetzt Touristen oder Studenten in der Kirche sind, das macht kaum einen Unterschied.

DOMRADIO.DE: Was mussten Sie denn in dem Gotteshaus alles organisieren, damit das überhaupt geht?

Farrugia: Das hat die Universität übernommen. Die hat für das WLAN gesorgt und draußen mobile Toiletten für die Studenten aufgestellt. Beim Eingang haben sie Desinfektionsmittel bereitgestellt und sie haben eine eigene Security, die darauf aufpasst, dass die Studenten auch die Maske tragen – auch in der Kirche. Wenn die Studenten in die Kirche kommen, setzen sie sich in die Bänke mit dem Laptop vor sich und mit dem Kopfhörer und dann verfolgen sie dann die Vorlesungen der Universität, die nicht sehr weit von uns entfernt ist.

DOMRADIO.DE: Seit Montag steht ihr Angebot. Wie wird es bisher angenommen?

Farrugia: Es wird gut angenommen. Wie das im Studentenleben so ist: Einige wenige fangen früh an, die anderen kommen später. Aber während des ganzen Tages, von 9-18 Uhr ist diese Möglichkeit gegeben – für diejenigen, die sie annehmen wollen.

DOMRADIO.DE: Kommen sich da die Studierenden und die Gläubigen, die vielleicht zum Beten in die Kirche kommen, nicht in die Quere?

Farrugia: Die kommen sich überhaupt nicht in die Quere. Die Kirche bleibt offen und die Leute müssen sowieso eine Maske tragen, wenn sie reinkommen. Das gilt auch für Touristen oder Betende. Die Gläubigen, die beten wollen, gehen dann in die Sakramentskapelle, die mit Glaswänden extra abgetrennt ist vom Rest der Kirche. So ist der Sakralraum gewahrt geblieben und es gibt überhaupt keine Probleme.

DOMRADIO.DE: Stichwort: Gottesdienste. Sind die einfach zu anderen Zeiten?

Farrugia: Die Gottesdienste während der Woche sind nicht vor 18 Uhr. Sie finden also dann statt, wenn die Studenten schon raus sind. An den Wochenenden ist ja kein Uni-Betrieb.

DOMRADIO.DE: Das Ganze ist jetzt erst einmal eine Testphase bis Ende Oktober. Haben Sie schon eine Ahnung, wie es danach weitergeht?

Farrugia: Sie haben zufällig gestern schon angefragt, ob Sie verlängern können. Ich habe gesagt: Ja, solange wir das mit dem normalen Programm der Kirche vereinbaren können.

Aber offensichtlich wollen sie das Angebot weiter nutzen, solange diese Corona-Regelungen noch existieren.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, das, was Sie jetzt hier in der Votivkirche in Wien machen, das hat Modellcharakter auch für andere. Können andere das ganz gut nachmachen?

Farrugia: Zumindest zeigt es, dass die ruhigen Studierenden im Kirchenraum nicht unvereinbar mit der Würde des Hauses sind. Ob ich dort jetzt ein Konzert veranstalte oder so etwas wie jetzt: Da gibt es kaum einen Unterschied. Im Gegenteil, diese Art ist mir lieber.

Ich weiß nicht, wie die anderen Kirchen oder Universitäten denken, aber es kann schon sein, dass das einen Modellcharakter hat.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


 Ein Student der Universität Wien arbeitet in der Votivkirche an seinem Laptop / © Hans Punz/APA (dpa)
Ein Student der Universität Wien arbeitet in der Votivkirche an seinem Laptop / © Hans Punz/APA ( dpa )

Die Votivkirche in Wien / © mRGB (shutterstock)
Quelle:
DR