Im Stephansdom erklingt wieder die große Orgel

130 Register zum Lobe Gottes

Mehrere Jahrzehnte mussten die Wiener im Stephansdom auf den Klang ihrer großen Orgel verzichten. An diesem Sonntag wurde das größte Musikinstrument Österreichs nach seiner Renovierung neu geweiht.

Autor/in:
Henning Schoon
Detail der Pfeifenorgeldekoration im Wiener Stephansdom / © Alessandro Cristiano (shutterstock)
Detail der Pfeifenorgeldekoration im Wiener Stephansdom / © Alessandro Cristiano ( shutterstock )

Niki Lauda, Otto von Habsburg oder der frühere Wiener Erzbischof Kardinal Franz König - wenn im Stephansdom in den vergangenen drei Jahrzehnten Totenmessen für bekannte Persönlichkeiten gefeiert wurden, konnte dabei nur die "kleinere" Domorgel im rechten Seitenschiff die Gemeinde begleiten.

Das mit rund 10.000 Pfeifen mehr als doppelt so große Instrument auf der Westempore war aufgrund baulicher und klanglicher Mängel lange stillgelegt. Nun erklingt sie seit Sonntag - fast auf den Tag genau 60 Jahre nach der Orgelweihe - in veränderter und erweiterter Form wieder zum Lobe Gottes.

Monumental waren bereits die Dimensionen der Vorgängerorgel: 90 Register besaß das Instrument der Orgelbauwerkstatt Walcker aus dem Jahr 1886 - eine der bedeutendsten Großorgeln ihrer Zeit. Dieser Anspruch wurde auch durch eine klangliche Spezialität untermauert: Eine besonders tiefe Stimme war im Hauptwerk der Orgel zu finden und im Manual mit den Fingern anspielbar. Dadurch habe das Instrument einen mächtigen Klang gehabt, erinnern sich Zeitzeugen.

Kölner Erzbischof Frings unterstützte Wiederaufbau

Aber ebenso wie weite Teile des Stephansdoms verbrannte auch diese alte "Riesenorgel" in einem verheerenden Feuer. Dass die große Orgel nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erklingen konnte, ist auch Hilfe aus Deutschland zu verdanken. "Im Zuge des Wiederaufbaus hat der damalige Dompfarrer Raphael Dorr sowohl den Kölner Erzbischof Kardinal Frings als auch Konrad Adenauer angeschrieben, ob eine Unterstützung geleistet werden könne", erläutert der heutige Domorganist Konstantin Reymaier. Die Bitte um Spenden hatte Erfolg - was auch als Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung gedeutet wurde.

Drei deutsche Orgelbauwerkstätten lieferten daraufhin Teile, Pfeifenmaterial und den Spieltisch der Orgel. Den Auftrag zum Bau der neuen Riesenorgel bekam schließlich der Wiener Orgelbaumeister Johann Marcellinus Kaufmann. 125 Register hatte das schon damals größte Musikinstrument Österreichs.

Am 2. Oktober 1960 wurde es durch Kardinal Josef Frings von der Kanzel des Stephansdoms feierlich geweiht. Lange währte die Freude über das neue Instrument allerdings nicht. "Das Problem der Orgel war, dass sie den Raum nicht vollständig ausfüllte", sagt Domorganist Reymaier. Dazu beigetragen hätten unter anderem die ungünstige Positionierung von Pfeifen hinter Gewölbebögen und Mauerwerk in Verbindung mit dem porösen Sandstein, aus dem der Stephansdom erbaut ist. 1991 wurde deshalb im rechten Seitenschiff des Stephansdoms ein neues, kleineres Instrument geweiht, das fortan die Funktion der Hauptorgel übernahm. Die Riesenorgel verstummte hingegen für gut 20 Jahre und wurde sich selbst überlassen.

Ein "Notfall" rückte das Instrument 2008 wieder ins Bewusstsein: Die großen Pfeifen in der Front der Orgel waren absturzgefährdet und mussten durch Seile gesichert werden. Sollte das alte Instrument also restauriert werden? Machte nur ein vollständiger Neubau Sinn? Oder war ein Konzept denkbar, das eine Teilerhaltung der Pfeifen aus den 1950er-Jahren mit Ergänzungen und Umbauten vorsehen würde? Ein Klangexperiment der Orgelkommission brache Klarheit.

Nun wieder bei Gottesdiensten zu hören

Schließlich stand das Konzept für die neue Riesenorgel, das ab 2017 von einer Vorarlberger Firma umgesetzt wurde: Rund die Hälfte des Pfeifenmaterials und die Bälge konnten aus dem Altbestand übernommen werden. Für den technischen Neubau wurden zugleich Pfeifenreihen neu intoniert, umgerückt, hinter Mauern hervorgeholt und durch weitere Stimmen ergänzt. So hat die Riesenorgel mit ihren 130 Registern nun ein Klangbild, das den Charakter ihrer Vorgängerin aufgreift und erweitert.

Zu den Besonderheiten gehören etwa eine Hochdruck-Tuba, ein Glockenspiel und ein Register, das durch dynamische Regulation des Winddrucks ähnlich wie eine Mundharmonika zu klingen vermag. Auch eine Tradition der verbrannten Walcker-Orgel griff die Expertenkommission auf: Wieder wurde eine besonders tiefe Stimme im Manual verbaut, die mit ihrem Bass im Kirchenraum wahrnehmbar ist. Ab der Orgelweihe wird auch sie wieder bei Gottesdiensten und Konzerten im Stephansdom zu hören sein.


Stephansdom in Wien (KNA)
Stephansdom in Wien / ( KNA )

Blick in den Wiener Stephansdom / © crbellette (shutterstock)
Blick in den Wiener Stephansdom / © crbellette ( shutterstock )
Quelle:
KNA