Kardinal Parolin zu Besuch im Libanon

Wenn der Papst nicht reisen kann, schickt er seinen zweiten Mann

Wegen der Corona-Pandemie kann Franziskus derzeit nicht reisen. Er würde es gerne, erst recht in den gebeutelten Libanon. Stattdessen fliegt Kardinal Parolin nun dorthin - und absolviert fast ein päpstliches Programm.

Autor/in:
Roland Juchem
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Paulo Cunha (dpa)
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Paulo Cunha ( dpa )

Es war Franziskus anzusehen: Am liebsten wäre er selbst in den Libanon gereist. Weil er aber der Papst ist, geht das inmitten der Corona-Krise nicht. Also schickt er anlässlich des Gebetstages für das gebeutelte Land seinen zweiten Mann. Dort absolviert er ein Programm, das eines Papstbesuchs würdig wäre.

Kardinal Parolin trifft Religionsführer

So ist der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zu Beginn seiner Libanonreise am Donnerstagabend in Beirut bereits mit christlichen und muslimischen Vertretern zusammengetroffen. "Der Libanon ist nicht allein. Wir stehen still an Ihrer Seite, um Ihnen unsere Liebe zu bekunden", sagte er bei einem Treffen mit Religionsvertretern in der maronitischen Georgs-Kathedrale. "Der Libanon braucht die Welt - doch die Welt braucht auch die einzigartige Erfahrung des Landes von Solidarität und Freiheit."

Anschließend wurde Parolin vom geschäftsführenden Außenminister Charbel Wehbe empfangen. Zudem besuchte er weitere Kirchen und eine Moschee. Der zweite Mann des Vatikan war am Nachmittag in der libanesischen Hauptstadt eingetroffen. Papst Franziskus hatte Parolin anlässlich des für diesen Freitag ausgerufenen Fast- und Gebetstages in das krisengeschüttelte Land gesandt. Dazu feierte Parolin am späten Abend im Wallfahrtsort Harissa einen Gottesdienst.

Gedenken mit einer Schweigeminute

Am Freitagvormittag wird der Kardinal von Staatspräsident Michel Aoun empfangen. Danach will er am Ort der Explosionskatastrophe vom 4. August im Hafen von Beirut bei einer Schweigeminute der Opfer gedenken.

Außerdem sind Treffen mit Überlebenden der Explosion und Angehörigen von Opfern und Besuche in zerstörten Krankenhäusern vorgesehen. Vor einem abschließenden Rundgang durch zerstörte Stadtviertel trifft sich der Gast aus Rom mit dem Oberhaupt der maronitischen Christen, Patriarch Kardinal Bechara Rai, an dessen Sitz im Kloster Bkerke nördlich von Beirut. In dessen Nähe liegt die Wallfahrtskirche von Harissa, Notre-Dame du Liban.

Dafür, dass der Vatikan die Reise so kurzfristig erst am Mittwoch bekanntgab, handelt es sich um ein umfangreiches Reise- und Besuchsprogramm.                              

Papst Franziskus liegt viel am Libanon

Dem Papst und seiner Kurie liegt viel am Libanon. Persönlich brachte Franziskus das zum Ausdruck, als er am Mittwoch bei seiner Generalaudienz einen dringenden Appell für das Land der Zedern erhob. Politische und religiöse Gruppen sollten Eigeninteressen zurückstellen und zum Wohl aller zusammenarbeiten. Und die internationale Gemeinschaft dürfe den Libanon "in seiner Einsamkeit nicht allein lassen". Während er sprach, hielt der Papst in seiner Linken den Zipfel einer libanesischen Fahne, die ein junger Priester des Landes ihm reichte.

Auf Twitter erneuerte der Papst am Donnerstag seinen Aufruf, "am 4. September einen weltweiten Gebets- und Fasttag für den Libanon zu halten". Er wende sich damit "auch an die anderen Konfessionen und religiösen Traditionen, sich in der ihnen angemessenen Weise an der Initiative zu beteiligen". Dass es nicht nur ums Fasten und Beten geht, belegt die Tatsache, dass Franziskus seinen "politischen Vertreter" schickt.

Traditionell wäre eher der Leiter der Ostkirchenkongregation, Kardinal Leonardo Sandri, für den Libanon zuständig. Mit Parolin aber schickt Franziskus seinen "besten Mann" für derartige Missionen. Denn die politische wie auch religiöse Gemengelage im Nahen Osten erfordert wahres Können. Als Vize-Außenminister des Vatikan verhandelte Parolin zwischen 2002 und 2009 unter anderem mit Vertretern Vietnams, Chinas und Israels. Der heute international geschätzte Diplomat kennt sich aus, im Nahen Osten wie mit hartnäckigen Gesprächspartnern.

Heikle diplomatische Missionen

Angesichts der teils zerrütteten Verhältnisse in dem von Franziskus als "Land der Hoffnung" titulierten Libanon sowie dem drohenden zusätzlichen Exodus von Christen will die Kirche alle Kräfte mobilisieren, um ihre Mitglieder zum Bleiben zu motivieren. Dabei geht es auch - wenn auch weniger ausgesprochen - um ein Gegengewicht zur Expansion muslimischer Gruppen wie der schiitischen Hisbollah.

Natürlich sind heikle diplomatische Missionen nicht primäres Ziel von Papstreisen, obwohl Päpste bei Vier-Augen-Gesprächen nicht nur Freundlichkeiten austauschen. Wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche reist, will es die Gläubigen vor Ort stärken und ermutigen. Gleichzeitig sucht der Papst den Dialog mit anderen im Land. All dies hat der Libanon dringend nötig - und steht auf Parolins Besuchsprogramm.

Wie gesagt: Am liebsten wäre Franziskus persönlich in den Libanon gereist. Pandemiebedingt geht dies "bis auf weiteres nicht", wie es im Vatikan heißt. Ob die für das Papstamt so wichtigen Reisen auch 2021 komplett ausfallen, ist unklar. Bis Franziskus aber wieder in ein Flugzeug steigt und mit dem Papamobil durch Straßen fährt, erhalten die Missionen seines Kardinalstaatssekretärs zusätzliches Gewicht. Zwar hat der kühle Norditaliener lange nicht das Charisma des Argentiniers. Aber genauer beobachten sollte man ihn auf seinen Reisen schon.


Bei seiner ersten Generalaudienz in der Corona-Krise gedenkt der Papst der Opfer der Explosion in Beirut / © Andrew Medichini (dpa)
Bei seiner ersten Generalaudienz in der Corona-Krise gedenkt der Papst der Opfer der Explosion in Beirut / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
KNA
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