Italiens "Katholikentag" und die Pandemie

"Wir wollen Chancen in den Mittelpunkt rücken"

Von diesem Dienstag bis kommenden Sonntag findet in der italienischen Adriastadt das "Meeting Rimini" statt. Die seit 1980 jährlichen Treffen widmen sich gesellschaftlichen Themen, in diesem Jahr den Folgen der Pandemie.

Symbolbild: Bischöfe in Italien / © Cristian Gennari (KNA)
Symbolbild: Bischöfe in Italien / © Cristian Gennari ( KNA )

Gerade wegen der Corona-Gefahr findet die Veranstaltung zum Teil online statt. Der neue Präsident der organisierenden Stiftung, der Deutsche Bernhard Scholz, erläutert im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die Anliegen.

KNA: Herr Scholz, das Treffen von Rimini wird oft "kleiner Katholikentag" genannt. Trifft das zu? Wo liegen Unterschiede?

Bernhard Scholz: Das Rimini-Treffen wurde von Menschen gegründet, die aus christlicher Erfahrung kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Fragen angehen wollten; und zwar im Dialog mit allen, die sich den Herausforderungen unserer Zeit stellen wollen. Darin liegt eine gewisse Gemeinsamkeit mit Katholiken- oder Kirchentagen. Allerdings sind innerkirchliche Themen kein Schwerpunkt. Zudem steht keine kirchliche Organisation dahinter.

KNA: Aber schon die katholische Bewegung Comunione e Liberazione?

Scholz: Das stimmt insofern, als die Verantwortlichen des Meetings Comunione e Liberazione angehören. Es besteht aber keine organisatorische Verbindung. Die Meeting-Stiftung ist eigenständig und allein für die Veranstaltung verantwortlich.

KNA: Im Mai hieß es, ihr Treffen sei eine "erste Gelegenheit, zusammenhängend über die Pandemie, den Lockdown und bisherige Folgen zu reflektieren". Ist dies noch Ihr Ziel?

Scholz: Wir werden uns intensiv mit der Krise und ihren Folgen befassen und dabei auch die Chancen in den Mittelpunkt rücken, die sich daraus ergeben können. Ob etwa die Wirtschaft, wenn sie sich jetzt regenerieren muss, nachhaltiger und sozialer ausgerichtet werden kann. Für das Gesundheitssystem stehen dringende Fragen an, wie auch für die Zusammenarbeit in Europa, etwa den Recovery-Fund. Darüber hinaus wollen wir über existenzielle Fragen sprechen, die sich in der Phase des Lockdowns gestellt haben: Worauf kann ich wirklich hoffen? Wie stehe ich in meinem Leben, wenn man eine Arbeit nicht mehr sicher ist? Was bedeutet es, in dieser Zeit Kinder zu erziehen?

KNA: Was vermissen Sie in den bisherigen Debatten zur Pandemie und ihren Folgen?

Scholz: In einer Krise kann man sich zurückziehen oder selbst Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen. Diese zweite Option muss mehr ins Spiel gebracht werden. Damit diese Krise zu einer Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens und der politischen Teilnahme führt. Ein zweiter Aspekt, der oft zu kurz kommt, ist der Blick auf die jungen Generationen. Was wir heute tun und entscheiden, muss das künftige Wohl der heutigen Kinder und Jugendlichen zum Maß haben.

KNA: Worin unterscheiden sich die Debatten in Italien von denen in Deutschland etwa oder anderen Ländern?

Scholz: Italien ist von der Pandemie sehr viel härter getroffen worden. Die zahlreichen Opfer und der lange und harte Lockdown haben sich vor allem im Norden dramatisch auf das Leben vieler Menschen ausgewirkt. Oder denken Sie an den wegbrechenden Tourismus. Daher wird hier noch intensiver über die existenziellen, wirtschaftlichen, sozialen Folgen gesprochen.

KNA: Was erwarten Sie von Mario Draghis Auftritt am ersten Tag - außer dass er mediale Aufmerksamkeit verschafft?

Scholz: Der ehemalige EZB-Chef ist ein Mann, der in einer für Europa sehr schwierigen Situation Verantwortung übernommen hat - mit großer Kompetenz und Mut. Das wurde auch von denen geschätzt, die andere Entscheidungen bevorzugt hätten. Wir haben ihn schon im Januar eingeladen, weil wir in Umbruchzeiten wie diesen - die durch die Pandemie nur verstärkt werden - von einem Mann hören wollen, der erzählen kann, wie er Probleme angegangen ist. Menschen wie er können eine Ermutigung sein, im eigenen Lebensumfeld Verantwortung zu übernehmen.

KNA: Laut Programm kommen Gesundheitsminister Speranza, Außenminister Di Maio und Infrastrukturministerin De Micheli. Gab es auch Anfragen an Ministerpräsident Conte oder Staatspräsident Mattarella?

Scholz: Wir haben jene Minister eingeladen, die für die Themen zuständig sind, über die wir sprechen wollen. Sehr wichtig ist uns angesichts eines allgemeinen Vertrauensverlustes in der Politik die Diskussion über die Zukunft des Parlamentarismus. Es wird dazu ein Forum mit Spitzenvertretern aller italienischen Parteien und eine weitere Begegnung mit Europaparlamentspräsident Sassoli geben.

KNA: Es kommt kein bekannterer Vertreter aus dem Vatikan. Ist das Absicht, oder hätten Sie gerne jemanden eingeladen?

Scholz: Wir hatten den Großimam der Al-Azhar in Kairo eingeladen, Ahmad Al-Tayyeb. Dann wäre auch sein vatikanischer Ansprechpartner Kardinal Miguel Ayuso gekommen. Leider musste diese Begegnung, die für uns von besonderem Interesse war, wegen der Pandemie auf das kommende Jahr verschoben werden.

KNA: Eine persönliche Frage zum Schluss: Wie wird man als Deutscher Vorsitzender einer traditionsreichen nationalen Veranstaltung in Italien?

Scholz: Ich bin seit 1998 beruflich als Unternehmensberater in Italien tätig und dadurch mit der "Compagnia delle Opere", einem katholischen Unternehmerverband, in Kontakt gekommen. Der hat mich 2008 zum Vorsitzenden gewählt. Die "Compagnia" ist wiederum eines der Gründungsmitglieder der Meeting-Stiftung.


Quelle:
KNA