Libanesischer Bischof: Unglück verschärft nur bestehende Notlage

"Die Libanesen sind in einer schrecklichen Situation"

Die Explosionskatastrophe vom 4. August im Libanon verdeutlicht nach Worten des syrisch-katholischen Erzbischofs Flavien Joseph Melki die seit langem bestehende Lage. Derzeit werde vor allem medizinische Versorgung benötigt.

Nach der schweren Explosion in Beirut - Proteste / © Marwan Naamani (dpa)
Nach der schweren Explosion in Beirut - Proteste / © Marwan Naamani ( dpa )

"Die Libanesen sind in einer schrecklichen Situation des Leidens, der Armut, des Elends, der Krankheit", sagte er im Interview der in Würzburg erscheinenden Wochenzeitung "Die Tagespost".

Nun würden dringend Krankenhäuser, Blutkonserven, Medikamente sowie Krankenschwestern und Pfleger gebraucht, so der emeritierte Erzbischof der mit Rom unierten syrisch-katholischen Kirche und frühere Großkanzler des Patriarchats in Beirut. "Die, die hier sind, haben sich schon vollkommen während der Corona-Pandemie aufgeopfert." Ohnehin lebten fast 40 Prozent der Menschen im Libanon in Armut.

Kirche leistet Hilfe

Die religiöse Vielfalt mit etwa 18 verschiedenen Religionsgemeinschaften spiele in der aktuellen Notlage keine Rolle. "Die Libanesen befinden sich alle in demselben Zustand der Niedergeschlagenheit und des Leidens ... und der brüderlichen Verbundenheit", so der Bischof.

Auch die Kirche leiste den Betroffenen Hilfe, erklärte Melki. "Wir haben Flüchtlinge bei uns aufgenommen. Es sind zehn bis zwanzig Familien, die im Seminar außerhalb von Beirut leben", so der 1931 geborene Bischof. Er betreibe eine Essensausgabe für arme Flüchtlinge, die nicht die Möglichkeit haben, nach Europa auszuwandern. Darunter seien auch viele Christen aus Syrien und dem Iran, "ohne Arbeit und ohne Papiere".

"Sehen Sie, in unserem Land ist es in den vergangenen Jahren zu einem demographischen Ungleichgewicht gekommen zugunsten der Moslems, die heute über 60 Prozent der Bevölkerung stellen", beklagte der Bischof. Manche Christen seien deshalb schon ausgewandert, andere befürchteten, dass sie durch diese Auswanderung bald in einem nicht christlichen Umfeld leben müssten, so Melki.


Quelle:
KNA
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