Neues Buch über Evangelikale und Konservative in den USA

Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump

Wie wurden Evangelikale zu Amerikas Konservativen? Und warum unterstützen sie einen autoritär auftretenden Präsidenten? In einem neuen Buch beleuchtet Soziologe Philip Gorski das Verhältnis von Christen zur US-Demokratie.

Autor/in:
Johannes Senk
US-Präsident Donald Trump mit einer Bibel vor der St. John's Episcopal Church / © Patrick Semansky (dpa)
US-Präsident Donald Trump mit einer Bibel vor der St. John's Episcopal Church / © Patrick Semansky ( dpa )

In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint US-Präsident Donald Trump als populistisches, teilweise sogar autoritär auftretendes Staatsoberhaupt. Gegen Ratschläge scheint er resistent zu sein, Gegner oder auch Meinungsabweichler in den eigenen Reihen werden öffentlich diffamiert. Für manche Kritiker ist es eine Form von Ignoranz, wenn nicht sogar Wahnsinn, der aus vielen Entscheidungen des Präsidenten spricht.

Konservativ, christlich-evangelikal

Auch wenn in den vergangenen Monaten Trumps Zustimmungswerte in einigen Umfragen deutlich eingebrochen sind, gibt es doch einen harten Kern, der weiterhin eisern hinter ihm steht. Diese Klientel lässt sich grob charakterisieren als konservativ, christlich-evangelikal und weiß. Aber warum unterstützen diese Menschen einen Präsidenten, der persönlich weder einer christlichen Glaubensgruppe noch einer Ideologie in irgendeiner Weise nahezustehen scheint?

Das neue Buch des Religionssoziologen Philip Gorski aus Yale "Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump" verspricht Klärung.

Zwischen Demokratie und Christentum

Er beleuchtet, wie der amerikanische Protestantismus sich zunehmend in eine autoritäre Richtung bewegt hat, so dass heute oft Evangelikale mit Konservativen und die Christliche Rechte mit der Republikanischen Partei gleichgesetzt werden. Kurz gefragt: Warum ist die Welt bei Trump angelangt - und warum finden viele Menschen das auch noch gut? 

Sein Werk soll aber ausdrücklich keine Monografie über den derzeitigen US-Präsidenten sein; das macht Gorski unmittelbar zu Beginn der Einleitung schon klar. Vielmehr sei das Thema die Beziehung zwischen Demokratie und Christentum mit einem besonderen Fokus auf den Vereinigten Staaten.

Allerdings ist das Sujet in hohem Maße vom omnipräsenten Staatschef abhängig. Dass er deswegen zeitweise im Fokus steht, versteht sich von selbst. Ebenso macht der Autor keinen Hehl daraus, dass er die Entwicklung unter Trump für besorgniserregend hält.

Wahlverwandtschaften

Gorski teilt seine Betrachtung in fünf Kapitel auf, die zwar aufeinander aufbauen, aber auch jeweils einzeln als Essay gelesen werden können. Er beginnt in den ersten beiden Kapiteln mit einer Geschichte von Demokratie und Christentum als "Wahlverwandtschaften" - ein Begriff, der sich durch die gesamte Argumentation des Buches zieht.

Darauf folgt ein Abschnitt, der sich gezielt mit den autoritären Tendenzen des amerikanischen Evangelikalismus befasst. Das vierte Kapitel beleuchtet danach die Entwicklung der weißen Evangelikalen zu den wirtschafts-, militär- und familienfreundlichen Konservativen, wie sie aus den USA bekannt sind.

Entwicklung zu autoritärem Regime?

Im fünften und letzten Teil widmet sich Gorski dann schließlich dezidiert dem Höhepunkt des Werks: Donald Trump und seinen evangelikalen Unterstützern. Letztlich kommt er hier zu der Annahme, dass sich die USA unter Trump perspektivisch zu einem autoritären Regime entwickeln könnten - wenn die konservativen Eliten die Demokratie nicht mehr schützen und wenn die progressiven Liberalen nicht mehr bereit sind, mit gesprächsbereiten (oder nicht-weißen) Evangelikalen und Vertretern der religiösen Linken zusammen zu arbeiten.

Fazit

Gorski gelingt es in seinem Buch, die in ihrer Entwicklung durch die Zeit auch oft widersprüchlichen Gegensätze - republikanisch und demokratisch, konservativ und progressiv, rechts und links - sehr anschaulich zu präsentieren. Dadurch entsteht ein rundes Bild von Trumps evangelikaler Klientel. Und auch die Gründe, warum der harte Kern den Präsidenten weiterhin unterstützt, treten klar zu Tage.

In einem Nachwort stellt Gorski noch den Bezug zur Corona-Krise her - mit der provokanten Frage, ob das Virus zusammen mit Trump und dem Autoritarismus als "Dreieiniges Unheil" bezeichnet werden könne.

Eine augenscheinliche, wenn auch vernachlässigbare Schwäche des Buches ist, dass die im Titel ausgegebene Prämisse kaum eingehalten werden kann. Für die Zeit "nach Trump" begnügt der Autor sich mit wenigen vorsichtigen Prognosen; von größeren Spekulationen sieht er zum Wohle des Werkes ab.

 

Philip Gorski: Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump, (Orginaltitel: American Babylon. Christianity and Democracy Before and After Trump), mit einem Vorwort von Hans Joas, Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien 2020, 224 Seiten (ISBN: 978-3-451-38890-3), Preis 24 Euro


Quelle:
KNA
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