Politischer Dialog im Libanon

Maroniten-Patriarch führt Politiker zusammen

Kardinal-Patriarch Bechara Boutros Rai wird immer mehr zu einer Zentralgestalt der libanesischen Politik: Am Wochenende forderte der Patriarch der mit Rom unierten maronitischen Kirche die libanesischen Politiker auf, miteinander zu sprechen.

Kardinal Bechara Boutros Rai / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Bechara Boutros Rai / © Paul Haring ( KNA )

Kardinal-Patriarch Bechara Boutros Rai wird immer mehr zu einer Zentralgestalt der libanesischen Politik: Am Wochenende forderte der Patriarch der mit Rom unierten maronitischen Kirche die libanesischen Politiker auf, der Einladung von Staatspräsident Michel Aoun zu einem Dialog-Forum am Donnerstag im Präsidentenpalast in Baabda Folge zu leisten. Auf keinen Fall dürften die Politiker den Hoffnungen der jungen Leute, die seit Monaten im Libanon auf die Straße gehen, eine "kalte Dusche" verabreichen, sagte Rai laut Medienberichten.

Libanon wirtschaftlich und sozial in der Krise

Der Libanon befindet sich derzeit in einer schwierigen Lage: Dem Land droht der Staatsbankrott, das Bankensystem steckt in der Krise, jeder zweite Libanese ist arbeitslos. 45 Prozent aller Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze.

Die Situation des Libanon ist eng mit der Syriens verbunden. Vergangene Woche trat die Ende 2019 beschlossene verschärfte Fassung der US-Sanktionen ("Caesar Act") gegen Syrien in Kraft. Damit sind auch keine offiziellen Geschäfte libanesischer Wirtschaftstreibender mit Syrien mehr möglich. In Beirut und Damaskus wird vermutet, dass der "Caesar Act" eine doppelte Zielrichtung hat: Er solle die Regierung von Baschar al-Assad in die Knie zwingen und die Macht der schiitischen Hisbollah im Libanon brechen.

Kirche verurteilt US-Strategie

Kirchliche Kreise werteten diese Strategie als "desaströs", berichtete die Stiftung Pro Oriente am Montag. Eine Entmachtung Assads könne in Syrien zur islamistischen Machtergreifung führen, im Libanon würde eine Entmachtung der Hisbollah das "interne Gleichgewicht" ins Wanken bringen, hieß es. Wie im Irak müssten auch in Syrien und im Libanon "die Christen die Zeche der Washingtoner Strategien bezahlen".

Rai wurde 2011 zum maronitischen Patriarchen von Antiochien gewählt. Laut Vatikan gibt es weltweit rund 3,1 Millionen Maroniten; gut eine Million davon im Libanon. Seit einer Übereinkunft bei der staatlichen Unabhängigkeit des Libanon 1943 stellen die Maroniten den Staatspräsidenten. Durch die enge Verbindung von Religion und Politik ist das Patriarchenamt auch politisch von Bedeutung.

Rai war mit Agenda für Dialog und Verständigung angetreten

Rai trat sein Amt mit dem Vorsatz an, die libanesischen Christen zu einen, die Ökumene sowie den Dialog mit den Muslimen zu stärken und seine Kirche zu reformieren. Immer wieder ruft er zu Versöhnung der Religionen und politischen Lager im Libanon auf. In der seit Jahren anhaltenden Regierungskrise warnte er wiederholt vor Stillstand und Machtvakuum. Zuletzt stellte er sich auch klar hinter das libanesische Volk, das seit Oktober gegen die Missstände im Land demonstriert.


Quelle:
KNA