Trump will mit Freigabe von Gottesdiensten Wähler gewinnen

Kulturkampf um Kirchenöffnung

Donald Trump verlangt die sofortige Freigabe von Gottesdiensten und droht widerspenstigen Gouverneuren mit Amtsenthebung. Ihm fehlen die Befugnisse zu beidem, aber er hofft, konservative Christen damit als Wähler zu ködern.

Autor/in:
Thomas Spang
Jesusstatue mit US-Flagge / © Bradley Birkholz (KNA)
Jesusstatue mit US-Flagge / © Bradley Birkholz ( KNA )

Die katholischen Bischöfe des Bundesstaates Washington im Nordwesten der USA nehmen die Corona-Pandemie besonders ernst. Hier wurde der erste Covid-19-Tote der USA verzeichnet, und die Infektionswelle in den dortigen Seniorenheimen bestimmte zu Beginn der Pandemie die Schlagzeilen im Februar. Deshalb haben die Bischöfe es nun auch nicht eilig, das Erreichte in ihren Gemeinden und Einrichtungen zu riskieren.

So hielt sich ihr Interesse sehr in Grenzen, als US-Präsident Donald Trump Ende vergangener Woche aus heiterem Himmel darauf drängte, die Gotteshäuser im Land "sofort" wieder zu öffnen. "Als Jünger Jesu sind wir aufgerufen, Werkzeuge für Gottes Schutz der Schwachen und das öffentliche Wohl zu sein", erklärten sie zu Trumps Forderung.

Präsident vs Gouverneure

Der Verdacht steht im Raum, der Präsident benutze das Herzensanliegen konservativer Gläubiger, um Punkte für seine Wiederwahl zu sammeln. Denn Trump hat selbst laut Eingeständnis ihm zugeneigter Kommentatoren wie Andrew Napolitano auf seinem Haussender Fox gar nicht die Autorität, Gouverneuren die Kirchenöffnung anzuweisen oder diese gar zu feuern.

Jura-Professor Harold Hongju von der Yale Law School meint, wenn Trump seine Forderung als "Befehl" deklariere, müssten die Gouverneure dem nicht folgen. Und auch Michael Luttig, einer der Stars unter den konservativen Richtern der USA, betont, der Präsident habe schlicht nicht die Befugnis, den Regierenden in den 50 Bundesstaaten Anweisungen zu erteilen.

Gouverneure bestimmen Tempo der Lockerungen

Tatsächlich bestimmen die Gouverneure das Tempo der Lockerungen. So gestattete zu Wochenbeginn Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom den Kirchen, vorzeitig ihre Pforten unter Auflagen wieder zu öffnen. Die "New York Times" versteht den Vorstoß als Salve in einem Kulturkrieg, bei dem es um Wahlkampf, nicht um Religionsfreiheit gehe. So sieht das auch Chicagos Bürgermeisterin Lori Lightfoot. Sie meint, praktisch alles, was Trump sage, habe einen wahlpolitischen Unterton.

Trumps Manöver zielt erkennbar auf die Evangelikalen und auf konservative Katholiken, bei denen die Unterstützung für den Präsidenten derzeit zurückgeht. Unter weißen Evangelikalen stärkten ihm noch im März 83 Prozent den Rücken. Inzwischen finden nur noch 77 Prozent sein Pandemie-Management gut. Katholische Wähler, die Trump im gleichen Zeitraum mehrheitlich unterstützten, bewerten ihn heute negativer. "Das sind Trumps Wähler", so der Religions- und Politikwissenschaftler Mark Rozell. "Er braucht sie" - und dränge genau deshalb auf rasche Kirchenöffnungen.

Horrorszenario für Gesundheitsexperten

Für Gesundheitsexperten ist das ein Horrorszenario, da Gottesdienste Hotspots für die Ausbreitung von Infektionen waren. Volle Kirchenbänke könnten die Pandemie wieder beschleunigen, befürchtet das am Kinderkrankenhaus von Philadelphia angesiedelte "PolicyLab". Es rechnet für Miami, Teile von Alabama, Tennessee und Texas mit wieder rapide ansteigenden Corona-Zahlen.

Das ficht Trump nicht an, der die Richtlinien der Gesundheitsbehörde CDC für die Kirchen erst zurückhielt, um sie dann plötzlich freizugeben. Die Kehrtwende zeigt, wie schwierig es für Mediziner und Wissenschaftler im Umfeld des Präsidenten ist, Vertrauen zu kommunizieren.

Unterschiedliche Reaktionen aus den Kirchen

Dem Präsidenten geht es vor allem um Beifall im weißen evangelikalen Lager - den er postwendend von Wortführern wie den Predigern Franklin Graham und Robert Jeffress erhielt. Ihre größte Sorge ist, dass die Corona-Beschränkungen "zu langsam" aufgehoben werden. Dagegen verurteilt der Führer der "Poor Peoples Campaign", Pfarrer William J. Barber, Trumps Forderung nach Kirchenöffnungen. Sie sei ein "fundamentaler Verstoß" gegen den christlichen Grundsatz der Nächstenliebe.

Diese Meinung teilen die Washingtoner Bischöfe. Es gebe kein Datum für die Wiederaufnahme von Gottesdiensten, erklärten sie. Sie wollten ihrer "staatsbürgerlichen Pflicht" schon nachkommen - aber erst wenn sich das verantworten lasse.


Donald Trump, Präsident der USA, spricht im Weißen Haus über das Coronavirus / © Alex Brandon (dpa)
Donald Trump, Präsident der USA, spricht im Weißen Haus über das Coronavirus / © Alex Brandon ( dpa )
Quelle:
KNA
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