Droht dem Krisenland nun der "stille Genozid"?

Simbabwe vor einer tödlichen Corona-Spirale

Mit sieben Infizierten ist Simbabwes bisherige Corona-Bilanz noch gering. Doch Wirtschaft und Gesundheitssystem lagen bereits zuvor in Trümmern. - Wenn für ein Land schon eine Ansteckung zur Hiobsbotschaft wird.

Autor/in:
Markus Schönherr
Symbolbild: Medizinische Versorgung in Afrika / © Gecko Studio (shutterstock)
Symbolbild: Medizinische Versorgung in Afrika / © Gecko Studio ( shutterstock )

Seit vergangener Woche befindet sich Südafrika im "lockdown", einer strengen Ausgangssperre, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Diese Woche folgte das Nachbarland Simbabwe. Doch anders als für Afrikas zweitgrößte Wirtschaftsmacht dürfte der angeordnete Stillstand für Simbabwe zur echten Überlebensprobe werden.

"Wenn die Simbabwer die Gefahren von Covid-19 wirklich verstehen, werden sie sich an die Regeln halten", meint Steven Gruzd vom Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA) in Johannesburg. Jedoch zweifelt der Politologe an dem Vorhaben: "Sie sind kaum in der Lage, von Tag zu Tag zu überleben - wie soll das drei Wochen lang gut gehen?"

20 Jahre Gefängnis für Falschinformationen

Seit dem Wochenende sprießen in der Hauptstadt Harare Straßensperren aus dem Boden. Die Polizei mobilisiert in Kampfausrüstung, bereit, jeden, der gegen die Anweisungen der Regierung verstößt, nach Hause oder in den Arrest zu schicken.

Bis zu ein Jahr Gefängnis steht auf eine Verletzung der Ausgangssperre; 20 Jahre erwarten den, der Falschinformationen über Corona verbreitet. "Einige Maßnahmen werden drastisch sein und unsere tägliche Routine durcheinanderbringen", verkündete Präsident Emmerson Mnangagwa.

Über 80 Prozent Arbeitslose

Für sie, die normalerweise das Bild der von Schlaglöchern durchsiebten Boulevards in Harare prägen, war die Nachricht besonders niederschmetternd: Mütter, die neben ihren alten Kleidern Goldfische im Eimer verkaufen. Händler, die auf Bestellung eines ihrer Hühner aus dem Käfig holen und gleich auf der Straße schlachten. Studenten, die DVDs mit den Raubkopien jüngster Hollywoodfilme feilbieten.

Simbabwes Wirtschaft liegt nach dem Sturz von Langzeitpräsident Robert Mugabe vor drei Jahren weiter in Trümmern. Etliche Grundnahrungsmittel wurden zuletzt unerschwinglich. Die Arbeitslosigkeit schwankt zwischen 80 und 90 Prozent. Ein Großteil der Simbabwer überlebte nur dank der informellen Wirtschaft, die ihnen bis zum Inkrafttreten der Ausgangssperre immerhin ein paar US-Dollar am Tag einbringen konnte.

Lockdown verschärft wirtschaftliche Probleme

Obendrein kommt laut UNO die "hausgemachte Hungersnot" durch Misswirtschaft hinzu. Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Hilal Elver: "In einem Land, das einst als Afrikas Brotkorb galt, sind heute mehr als 60 Prozent der Bürger von Hunger bedroht."

Die Zahl der Lebenskünstler werde durch die Corona-Krise weiter steigen, vermutet Politologe Gruzd: "Der Lockdown wird Simbabwes wirtschaftliche Probleme verschärfen. Geschäfte könnten schließen, noch mehr Menschen ihre Jobs verlieren." Die Pandemie treffe die frühere britische Kolonie gleich noch an zweiter Front - mit einem "Gesundheitssystem, das bereits jetzt tief in der Krise steckt", so Gruzd.

Erneuter Streik

Schon im November legten Simbabwes Fachärzte einmal die Arbeit nieder, um ein Zeichen gegen die verheerenden Arbeitsbedingungen in staatlichen Kliniken zu setzen. Damals warnte ihre Dachorganisation angesichts von Medikamentenengpässen und fehlenden Hilfsmitteln wie Handschuhen vor einem "stillen Genozid".

Vergangene Woche, kurz nach Bekanntwerden der ersten Corona-Infektion, kam es erneut zum Streik. Tausende Pfleger protestierten gegen die Regierung Mnangagwa. Diese wolle sie weder mit Schutzausrüstung noch mit ausreichend Wasser zur Aufrechterhaltung der Grundhygiene versorgen. "Man ignoriert uns", klagt Enock Dongo, Vertreter einer simbabwischen Pflegegewerkschaft.

Keine Beatmungsgeräte, keine Medizin

Unter Simbabwes sieben Corona-Infizierten war auch Zororo Makamba. Der 30-jährige TV-Moderator hatte vor kurzem New York besucht, wo er sich mit dem Virus ansteckte. Vor einer Woche wurde er der erste - und bislang einzige - Corona-Tote in Simbabwe.

Viele machen den maroden Gesundheitssektor für den Tod des jungen TV-Stars verantwortlich. So sorgte ein Brief für Aufsehen, in dem Makambas Familie mitteilte: "Sein Arzt beharrte darauf, dass er beatmet wird. Doch als wir im Krankenhaus ankamen, gab es dort weder ein Beatmungsgerät noch Medizin - und selbst der Sauerstoff drohte auszugehen."


Quelle:
KNA