Pastor erster diagnostizierter "Corona-Fall" im Raum Washington

Wenn "Patient Nummer Eins" ein Pfarrer ist

Timothy Cole ist das, was Experten "Patient Nummer Eins" nennen. Der Pastor der einflussreichen "Christ Church"-Kirche ist Washingtons erster belegter "Corona-Fall". Hunderte Gemeindemitglieder leben nun in Quarantäne.

Coronavirus in den USA / © DigitalMammoth (shutterstock)
Coronavirus in den USA / © DigitalMammoth ( shutterstock )

Am Sonntag erhielten die Mitglieder der historischen Episkopalkirche im vornehmen Georgetown elektronische Post vom "District of Columbia". Absender war die Gesundheitsbehörde des Stadtstaats, die alle Besucher der "Christ Church"-Gemeinde angeschrieben hatte, die zwischen dem 24. Februar und dem 3. März in der Kirche waren. Die Behörde informierte die Betroffenen, sie könnten sich bei Pastor Timothy Cole (59) mit dem Covid-19-Virus angesteckt haben.

"Gut besuchte und renomierte Kirche"

Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. "Das ist eine gut besuchte und renomierte Kirche", sagt Robert Delaney, der für die Stadtteilzeitung "The Georgetowner" schreibt. "Da gehen viele Multiplikatoren hin." Wie schon bei ihrer Gründung 1817, als der Vater der Nationalhymne "The Star Spangled Banner", der Jurist Francis Scott Key, eine Reihe konservativer Abtrünniger der anglikanischen Kirche sammelte, um "Christ Church" zu gründen.

Heute besuchen nicht minder einflussreiche Rechtsanwälte, Ärztinnen, Wissenschaftler, Journalisten und Politikerinnen aus dem Großraum um Washington die drei sonntäglichen Gottesdienste. Die Gemeinde gehört noch immer der Episkopalkirche an, die sich als Teil der anglikanischen Weltkirche versteht. Anders als in vielen anderen Kirchen, die heute so gespalten sind wie der Rest der Gesellschaft, bilden sich die Mitglieder von "Christ Church" etwas darauf ein, Menschen aus allen Teilen des politischen Spektrums anzusprechen.

"Sie machen die ganze Woche über Politik und wollen am Sonntag Abstand davon bekommen", beschreibt der Sprecher Rob Volmer den Geist in der Gemeinde, der beispielsweise auch FOX-Moderator Tucker Carlson angehört. "Wir sprechen dann über unseren Glauben und was wir für andere tun können."

Wie eine normale Erkältung

Laut dem Schreiben der Gesundheitsbehörde ist das Beste, das die Mitglieder zurzeit für andere tun können, eine zweiwöchige Selbstquarantäne einzuhalten und sich zu melden, falls sie Symptome zeigen. Die Chancen seien "mittelgroß", dass sie sich bei Pfarrer Cole angesteckt haben könnten.

Der Reverend fühlte sich nach Rückkehr von einer Konferenz in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky unwohl. Das war am 22. Februar. Ein paar Tage später ging es ihm wieder gut genug, an einer Klausurtagung des Pfarrgemeinderats teilzunehmen. Cole dachte, er habe eine normale Erkältung und feierte alle drei Gottesdienste am darauffolgenden Sonntag.

Predigt über Hygienevorkehrungen

In seiner Predigt sprach er über die neuen Hygienevorkehrungen, die in der Kirche getroffen würden. Vor der Abendmahlsfeier benutzte er sichtbar für alle ein Desinfektionsmittel für die Hände. Anschließend verteilte er die Hostien und reichte den Kelch. Weil es nicht besser wurde, ging Cole zum Arzt. Dieser dachte zunächst an eine Grippe. Seit Samstag hat der Reverend Gewissheit. Er ist "Patient Nummer Eins" im Großraum Washington, der ein positives Testergebnis für den Covid-19-Virus erhalten hat.

"Ich möchte Sie alle wissen lassen, dass ich okay sein werde", ließ er seine Gemeinde am Sonntag wissen. Er erhalte im Krankenaus "exzellente Fürsorge". Am Mittwoch berichtete die "Washington Post", zwei weitere Gemeindemitglieder, darunter der Organist, seien erkrankt. Der 39-Jährige erhole sich daheim von nur milden Symptomen. "Er ist guter Dinge", sagte Volmer lokalen Medien.

Zahl der diagnostizierten "Corona-Fälle" steigt

Die überwiegend älteren Angehörigen der "Christ Church"-Kirche versuchen, das Beste aus der Selbstquarantäne zu machen. "Das sind sehr engagierte Leute", beschreibt die pensionierte Gesundheitsreporterin der "Washington Post", Sally Wilhelm (68), ihre betroffenen Kirchenfreunde. Sie selber habe die E-Mail beim Packen für ihren 93-jährigen Vater erhalten, der sich für eine Reise zu einem medizinischen Eingriff in Florida vorbereitete. "Ich bin froh, es erfahren zu haben, bevor wir ins Flugzeug gestiegen sind."

Seit der Diagnose bei "Patient Nummer Eins" stieg im Großraum Washington die Zahl der diagnostizierten "Corona-Fälle" auf 21 - Tendenz steigend.


Quelle:
KNA
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