Wie der Verbleib des Wiener Erzbischofs in Österreich bewertet wird

"Einen zweiten Kardinal Schönborn wird es nicht geben"

Stolze 75 Jahre wird Christoph Kardinal Schönborn an diesem Mittwoch alt. Zurücktreten wird er aber noch nicht, wie Papst Franziskus entschieden hat. Wie blickt die Kirche in der Alpenrepublik auf den Verbleib des Sympathieträgers in Wien?

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn / © Cristian Gennari (KNA)
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist das ein Grund zur Freude oder eher zur Betroffenheit? Die Kommentare sind sich da nicht so ganz einig im Moment.

Dr. Paul Wuthe (Chefredakteur und Geschäftsführer der Katholischen Presseagentur Österreich / kathpress): Es ist sicherlich ein Grund zur Freude, aus mehreren Gründen. Zum einen, weil es ihm Gott sei Dank besser geht. Das haben wir auch gestern feststellen können. Der Wiener Erzbischof gibt schon seit vielen Jahren, seitdem es Kardinal Franz König damals eingeführt hat, einen ökumenischen Empfang in der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. An diesem Tag sind die Spitzen der Ökumene und viele darüber hinaus beim Erzbischof. Die Freude bei diesem Termin war spürbar, denn erstens geht es ihm besser. Und zweitens darf er noch etwas weiter machen.

DOMRADIO.DE: Die Meldung kam relativ überraschend. Es hat relativ viel auf einen Rückzug hingedeutet – nicht nur aufgrund seines Gesundheitszustands. Er hat im Prinzip eigentlich sogar schon angekündigt, sich als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz zurückzuziehen.

Wuthe: Offiziell angekündigt hat er es nicht. Er hat schon vor einiger Zeit gesagt, dass die Altersgrenze naht und er überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, sich Schritt für Schritt von manchen Aufgaben freizumachen und vor allem für eine gute Nachfolge, für einen guten Übergang zu sorgen. Dass man dann den Vorsitz in der Bischofskonferenz einem Jüngeren übergibt, ist naheliegend. Man wird sehen, wie jetzt entschieden wird.

Der Gesundheitszustand war sicherlich das Thema, bei dem viele meinten, dass eine Verlängerung der Amtszeit wohl nicht möglich sei. Auch weil der Kardinal selbst mehrfach gesagt hat, er reiche seinen Rücktritt ernsthaft ein. Es ist für ihn kein Formalakt. Er hat das ja bewusst im Oktober im Zuge der Amazonas-Synode persönlich bei Papst Franziskus hinterlegt und auch erläutert, wie es um ihn steht und was er sich erhofft.

Die jetzige Regelung ist wahrscheinlich ideal. Er kann weitermachen, aber es ist auch keine Frist gesetzt. Es ist auch von Rom festgehalten, dass man mit der Kandidatensuche für den Bischofsstuhl schon beginnen kann. Das ist etwas ungewöhnlich, wenn ein Bischof noch voll im Amt ist. Das ist aber auch das, was er intern immer gesagt hat. Das wäre ihm das Liebste, dass hier keine unnötigen Verzögerungen entstehen.

DOMRADIO.DE: Das muss ja eine unfassbar belastende Tätigkeit sein. Einerseits die Aufgabe des Erzbischofs von Wien, dann der Vorsitz der Bischofskonferenz in Österreich. Und zudem zählt er ja auch mit zu den wichtigsten Beratern des Papstes in verschiedenen Fragen. Denken Sie denn, das er in der aktuellen gesundheitlichen Situation überhaupt in der Lage ist, das alles noch weitere Jahre mit voller Kraft auszuüben?

Wuthe: Mit voller Kraft sagt er jetzt: Nein. Auch die Termine sind deutlich reduziert worden. Aber man hat gestern gemerkt, dass er ganz der Alte ist. Er ist physisch, psychisch und auch von seiner ganzen Intellektualität her voll präsent. Aber es geht ihm noch nicht so, wie noch vor einem Jahr. Er sagt auch, dass ihn diese Krebsoperation das erste Mal im eigentlichen Alter, und das sind 75 Jahre, hat ankommen lassen. Er spürt das Alter, aber dieses Alter bietet noch genug Möglichkeiten, dass er seine vielen Talente für die Kirche noch einbringen kann.

Es ist für mich schon faszinierend zu sehen, wie auch die österreichische Medienlandschaft vom "Unverzichtbaren" titelt oder ihn "Nicht irgendein Kardinal" nennt. Auch das ist etwas, was ihn auszeichnet. Er hatte sicherlich nicht vor, einmal Kardinal zu werden – er war auf einer akademischen Laufbahn. Er hat eine Haltung, wie man sie bei einem Bischof und einem Kardinal auch erwartet: Wenn er gebraucht wird, dann wird er nicht Nein sagen. Auch das hat er mehrfach betont.

DOMRADIO.DE: Einen wirklichen Zeitplan für den Rücktritt und für den Ruhestand gibt es im Moment nicht. Sie sitzen relativ nah dran. Was schätzen Sie? Wie lange wird es dauern, bis es den nächsten Erzbischof in Wien gibt?

Wuthe: Die allgemeine Einschätzung ist, dass es im Laufe dieses oder des nächsten Jahres sein kann. Der Kardinal selbst drängt, dass das nicht länger dauern soll. Wir hatten in Österreich ja auch in Graz mit Bischof Kapellari den Fall, dass der Bischof sehr verdient war, aber dann in einer Weise über seine übliche Amtszeit verlängert wurde, dass er selbst für seine Verhältnisse sehr spektakulär gesagt hat, Rom müsse sich jetzt entscheiden. Er lege das Amt endgültig zurück.

Ich denke, das wird es in Wien nicht geben, wenn uns Papst Franziskus noch einige Jahre erhalten bleibt. Das ist natürlich immer eine Unwägbarkeit, dass ein Ende eines Pontifikats auch Bischofsernennungen verzögern kann. Das wollen wir nicht hoffen. Am Kardinal und an der Kirche in Österreich wird es nicht liegen, die Dinge zu verzögern.

DOMRADIO.DE: Wie wird es weitergehen in Wien und in der österreichischen Bischofskonferenz? Das ist ja eine Bischofskonferenz, wo es auch Konflikte gibt, wo er auch Vermittler war und ist. Denkt man denn schon darüber hinaus nach, wie es aussehen wird, wenn Kardinal Schönborn denn nun tatsächlich in Ruhestand geht?

Wuthe: Einen zweiten Kardinal Schönborn wird es nicht geben. Ich würde sagen, die große Kunst wird es sein, jemanden zu finden, der genau das, was dem Kardinal in den letzten 25 Jahren gelungen ist, weiterzuführen. Es gibt nämlich eine große Einmütigkeit in den großen Themen. Das kann man, glaube ich, schon von der österreichischen Bischofskonferenz sagen. Dazu haben natürlich auch die Bischofsernennungen der letzten Jahre beigetragen. Es gibt keine Polarisierung, wie es sie früher gab. Es gibt keine ausgeprägten Flügel. Ich denke, die österreichischen Bischöfe haben eine sehr realistische Sicht der Dinge. Sie sehen nicht die Zukunft der Kirche in ihrer Vergangenheit – in einer traditionellen Form.

Es sind alles Bischöfe, die durch das Konzil und durch die Zeit nach dem Konzil geprägt sind. Es sind Bischöfe, die die große, triumphierende Volkskirche der 1950er und 1960er Jahre nicht gekannt haben. Diese Zeit hat zwar auch Schönborn stark geprägt, er sagt aber auch immer: Das Alte ist das Alte – und das ist vorbei. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass eine Kirche im Umbruch ist, dass sie wieder missionarischer werden muss und dass wir uns auch von Formen lösen müssen, die wir vielleicht lieb gewonnen haben, die aber nicht mehr zum eigentlichen Kern des Glaubens und zum Kirche-sein gehören.

Ich denke, dass die österreichischen Bischöfe, die jetzt der Konferenz angehören, auch diese Sicht haben. Insofern bin ich etwas gelassen. Wir vertrauen hier darauf, dass es eine gute Entscheidung gibt. Und ich habe auch den Eindruck, Kardinal Schönborn wollte, dass Papst Franziskus diese wichtige Entscheidung für die Kirche in Österreich trifft.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR
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