Wie sich US-Kirchengemeinden gegen Hassattacken wappnen

Gläubige wollen sich wehren

Angesichts der wachsenden Zahl von Angriffen auf Gotteshäuser verlassen sich in den USA viele Kirchengemeinden nicht mehr nur auf Gebete. Sie rüsten zur Gegenwehr - mit neuen Sicherheitsvorkehrungen, Handbüchern und Training.

Autor/in:
Thomas Spang
Jesusstatue mit US-Flagge / © Bradley Birkholz (KNA)
Jesusstatue mit US-Flagge / © Bradley Birkholz ( KNA )

Die Türschlösser sind neu. Ebenso die Gucklöcher, durch die man von innen sehen kann, ob sich draußen etwas "Verdächtiges" anbahnt. Auch Überwachungskameras stehen auf der "To-do-Liste" des Kirchenvorstands. Und wenn die Gemeinde der "Bethel African Methodist Episcopal Church" in Gainesville/Georgia ihr Halleluja anstimmt, hält ein Polizist vor dem Kirchenportal Wache.

Die Angst vor Attacken rechtsextremer Hass-Verbrecher auf Gotteshäuser und Gläubige grassiert in den USA. Aus den letzten beiden Jahrzehnten sind fast 20 Anschläge auf religiöse Stätten mit Dutzenden Toten und Verletzten dokumentiert.

"Das Böse weiß, wo wir am verwundbarsten sind"

Die schwarze AME-Gemeinde in Gainesville hat allen Anlass, besonders vorsichtig zu sein, nachdem sie im vergangenen November ins Visier einer Rassistin geraten war. Gegen das 16-jährige weiße Mädchen wird wegen der Vorbereitung eines Anschlags ermittelt. Nichtstun kommt für die Kirchengemeinde nicht infrage. Im Gegenteil: Die Gläubigen wollen sich wehren.

Die "New York Times" griff die Geschichte der Gemeinde im Herzen des ländlichen Georgia, das von der Geflügelzucht lebt, kürzlich auf. Sie zitiert den Polizeichef von Gainesville, Jay Parrish, der die Sicherheitsvorkehrungen für angemessen hält. "Es ist eine Schande, dass wir in einer Welt leben, in der wir unsere Kirchen und Schulen schützen müssen", so Parrish. "Aber das Böse weiß, wo wir am verwundbarsten sind." 

Es gehe darum, die Gottesdienstbesucher so zu schulen, damit sie sich mit geeigneten Mitteln zur Wehr setzen können. "Low-Tech-Gewalt", nennt das Parrish im Falle einer Attacke, wenn Stühle, Bibeln und Feuerlöscher auf den Täter geworfen werden sollen.

Ausbildung an der Schusswaffe

Einige Mitglieder der AME-Gemeinde wollen sich laut Pfarrerin Michelle Rizer-Pool demnächst auch an der Schusswaffe ausbilden lassen. Es gebe dazu leider keine Alternative. Die "Times" entdeckte bei ihren Recherchen einen Trend zur organisierten Gegenwehr. Immer mehr Religionsgemeinschaften sähen keine andere Wahl, als zur Selbstverteidigung zu greifen.

Laut FBI-Statistik steigt die Zahl der Hassverbrechen in den USA stetig - allein 2017 um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr und das im dritten Jahr in Folge. Bei den mehr als 7.000 offiziell gemeldeten Hassverbrechen bildeten Schwarze die größte Opfergruppe; fast 950 Attacken auf US-Juden zählten die Behörden. Antisemitische Hassverbrechen, die häufigste Form religiös bedingter Übergriffe, stiegen 2017 um 37 Prozent im Vergleich zu 2016.

Attentate in Poway und Pittsburg

Und immer häufiger greifen die Täter in ihrem Hass auch Religionsgemeinschaften an. Bei einem Anschlag auf die Synagoge in Poway in Kalifornien kam im April 2019 ein Mensch ums Leben, in der "Tree-of-Life"-Synagoge in Pittsburg tötete ein Antisemit im Oktober 2018 elf Gottesdienstbesucher.

Ein Jahr zuvor fielen in der "First Baptist Church" von Sutherland Springs im US-Bundesstaat Texas 26 Menschen einem Terroristen zum Opfer. Vorfälle wie der Angriff eines bewaffneten Mannes auf einen Sonntagsgottesdienst in Texas, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen, finden angesichts der bedrückenden Normalität national kaum mehr Beachtung.

Sicherheitshandbuch und Sicherheitstraining

Besonders sensibilisiert sind auch die Muslime in den USA, deren Glaubensgemeinschaft im Alltag mit Verdächtigungen und Anfeindungen bis in die Regierung hinein zu tun haben. Der Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen - CAIR - begann mit Schulungen für Gemeindemitglieder 2012, nachdem ein Sikh-Tempel in Wisconsin Ziel einer Schießattacke wurde. Parallel entwickelte CAIR ein Sicherheitshandbuch für Gemeinden, das die Organisation auch anderen Religionsgemeinschaften zur Verfügung stellt. «Die Bedenken sind die gleichen", sagt CAIR-Kommunikationsdirektor Ibrahim Hooper. "Man muss das Wort Moschee bloß durch Kirche oder Synagoge oder Tempel ersetzen."

Bei einem Sicherheitstraining für Gläubige aus ganz Georgia schärfte der Selbstverteidigungs-Ausbilder Tony Price den Teilnehmern ein, dass die meisten Schießattacken einen zeitlichen Vorlauf von "nur zwei bis fünf Sekunden haben". Es sei besser, "darauf eingestellt zu sein und es nicht zu brauchen, als drauf angewiesen zu sein und nicht zu wissen wie."


Quelle:
KNA