​Hilfswerke kritisieren steigende Umsätze der Rüstungsindustrie

"Rüstungsexporte in Krisenregionen verbieten"

Die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt machen nach Analysen von Friedensforschern weiter glänzende Geschäfte. Kritik kommt von kirchlichen Hilfswerken. Sie dringen auf eine restriktivere Rüstungspolitik.

Weltweite Rüstungsverkäufe steigen um 4,6 Prozent / © Philipp Schulze (dpa)
Weltweite Rüstungsverkäufe steigen um 4,6 Prozent / © Philipp Schulze ( dpa )

Die 100 größten Rüstungskonzerne (ohne China) verkauften im vergangenen Jahr Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 420 Milliarden US-Dollar (380 Milliarden Euro), wie das internationale Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag in Stockholm mitteilte. Das waren 4,6 Prozent mehr als 2017 und 47 Prozent mehr als im Jahr 2002, in dem Sipri die Trends im globalen Waffenhandel zu dokumentieren begann.

2017 hatten die Konzerne gegenüber dem Vorjahr 2,5 Prozent mehr Umsatz eingefahren. 80 der 100 Top-Waffenschmieden befinden sich in den USA, in Europa und Russland. Auf der Liste stehen auch vier deutsche Unternehmen. Chinesische Rüstungsfirmen führten die Forscher mangels verlässlicher Daten nicht auf.  

Vorbereitung auf angekündigtes US-Programm

Erstmals seit 2002 stehen ausschließlich US-Konzerne auf den fünf Spitzenplätzen in der Liste: Lockheed Martin, Boeing, Northrop Grumman, Raytheon and General Dynamics vereinten im vergangenen Jahr 148 Milliarden Dollar auf sich - 35 Prozent des Rüstungs-Umsatzes der Top 100.

Insgesamt verkauften die 43 im Ranking gelisteten US-Hersteller Waffen und Rüstungsgüter im Wert von 246 Milliarden Dollar, ein Anstieg von 7,2 Prozent gegenüber 2017. Damit betrug der gesamte US-Anteil 59 Prozent. "Die Firmen bereiten sich auf das neue Programm für die Modernisierung von Waffen vor, das Präsident Trump 2017 angekündigt hat", erklärte Sipri-Forscherin Aude Fleurant.  

EU: Britische Konzerne am umsatzstärksten

Der Umsatz der zehn im Ranking vertretenen russischen Konzerne blieb indes nahezu unverändert: Er belief sich laut Sipri auf insgesamt 36,2 Milliarden Dollar (32,6 Milliarden Euro). Das bedeutete einen leichten Rückgang von 0,4 Prozent gegenüber 2017. Ihr Anteil am Rüstungsgeschäft der Top 100 fiel somit von 9,7 Prozent 2017 auf 8,6 Prozent im vergangenen Jahr.  

Die Umsätze der 27 im Ranking vertretenen europäischen Waffenproduzenten wuchsen leicht um 0,7 Prozent auf insgesamt 102 Milliarden Dollar (etwa 92 Milliarden Euro). In ihrer Studie machten die Friedensforscher aber unterschiedliche Trends aus: So gingen die Umsätze von in Großbritannien ansässigen Rüstungsfirmen um 4,8 Prozent auf 35,1 Milliarden Dollar zurück. Allein der Umsatz von BAE Systems, der weltweit größten Waffenschmiede außerhalb der USA, sank um 5,2 Prozent auf 21,2 Milliarden Dollar (19,1 Milliarden Euro). Trotzdem blieben die Umsätze britischer Rüstungskonzerne die höchsten in Europa. Die französischen Firmen lagen mit 23,2 Milliarden US-Dollar (etwa 21 Milliarden Euro) an zweiter Stelle.

Deutsche Firmen unter den Topp 100

Auf der Liste der Top 100 stehen auch die vier deutschen Konzerne Rheinmetall, Thyssenkrupp, Krauss-Maffei Wegmann und Hensoldt. Zusammen genommen fielen die Verkäufe im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent auf 8,4 Milliarden Dollar (etwa 7,5 Milliarden Euro). "Einem Anstieg bei Lieferungen von Militärfahrzeugen durch die größte deutsche Firma Rheinmetall stand ein Absatzrückgang beim Schiffbauer Thyssenkrupp entgegen", sagte Sipri-Forscher Pieter D. Wezeman. Der Gesamtanteil deutscher Unternehmen am globalen Waffengeschäft der Top 100 betrug zwei Prozent.  

In Israel, Südkorea und in der Türkei haben Rüstungsfirmen ihre Umsätze erhöht. Besonders die Umsätze zweier im Ranking gelisteten türkischen Unternehmen wuchsen um 22 Prozent auf 2,8 Milliarden Dollar (etwa 2,5 Milliarden Euro). Diese profitierten laut Sipri von Plänen der Türkei, die heimische Waffenindustrie auszubauen und zu modernisieren.

"Kein Garant für mehr Sicherheit und Frieden"

Kritik kommt von kirchlichen Hilfswerken. Mehr Waffen seien "kein Garant für mehr Sicherheit und Frieden", sagte der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). "Im Gegenteil: Waffen und Gewalt drohen die Erfolge, die verschiedene Akteure der Entwicklungszusammenarbeit weltweit über Jahre zum Wohle der Menschen aufgebaut haben, zu zerstören".

Ähnlich äußerte sich die Präsidentin der evangelischen Organisation Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel: "Der weltweite Waffenhandel steigt seit Jahren kontinuierlich an, und Deutschland kann sich als einer der fünf größten Rüstungsexporteure der Welt einer Mitverantwortung an diesem Trend nicht entziehen." Die Staaten, in denen seit Jahren Gewaltkonflikte tobten, verzeichneten eher Rückschritte als Entwicklungsfortschritte, mahnte die Expertin.

Kritik an Waffenlieferungen in Kriegsregionen

Deutschland habe sowohl 2018 als auch 2019 Rüstungsexporte an Staaten wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate bewilligt, die am Krieg im Jemen beteiligt seien. Dort seien 80 Prozent der Bevölkerung auf Hilfe angewiesen, die Vereinten Nationen sprächen von einer der schwersten humanitären Katastrophen weltweit, so Füllkrug-Weitzel.

Deutschland müsse sich "endlich an seine eigenen Grundsätze halten und Rüstungsexporte in Krisenregionen, unter anderem an Staaten der von Saudi-Arabien geführten Jemen-Kriegskoalition, ausnahmslos verbieten". Spiegel fügte hinzu, es brauche mehr Mittel für Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung zum Schutz der Menschenrechte weltweit.


Quelle:
epd , KNA