Beginn des Vergewaltigungsprozesses gegen Bischof Mulakkal

Kirche in Indien in der Krise

Mord, Vergewaltigung und Korruption erschüttern die katholische Kirche im patriarchalischen Indien. Die Skandale schwächen ihre Position angesichts der Angriffe von Hindunationalisten auf Minderheiten.

Autor/in:
Michael Lenz
Eine Nonne in Indien  / © Sanjeev Gupta (dpa)
Eine Nonne in Indien / © Sanjeev Gupta ( dpa )

Im neuesten Fall steht Bischof Kannikadass William Antony im Mittelpunkt: 37 Priester seines Bistums Mysuru in Karnataka und das indische Laiennetzwerk "Besorgte Katholiken" werfen dem Bischof unter anderem finanzielle Unregelmäßigkeiten, Korruption und sexuelles Fehlverhalten vor. In einem Brief haben sie Papst Franziskus um Entlassung des Bischofs gebeten. Es ist einer der derzeit spektakulärsten Kirchenskandale in Indien - und er reiht sich ein in eine Kette von Verfehlungen.

Mit der Verlesung der Anklageschrift beginnt am Montag in Kerala der Vergewaltigungsprozess gegen Franco Mulakkal. Der Bischof von Jalandhar im Punjab soll zwischen 2014 und 2016 im Kloster Kuravilangad in Kerala eine Ordensfrau wiederholt vergewaltigt zu haben. Die Nonne hatte sich zu einer Anzeige bei der Polizei entschlossen, nachdem ihre Briefe mit Vorwürfen gegen Mulakkal an die Bischofskonferenz und den Apostolischen Nuntius in Indien ohne Konsequenzen blieben. Fünf Mitschwestern sehen sich laut Medienberichten wegen öffentlicher Solidaritätsbekundungen für das mutmaßliche Opfer unter massivem Druck seitens der Kirche und ihres Ordens.

"Nicht die einzigen Bundesstaaten mit Kirchenskandalen"

Im Fall von Kardinal George Alencherry hat der Vatikan den Hilfeschrei von 450 Priestern und Laien aus dessen Erzbistum Ernakulam gehört: Für sie ist Alencherry der Hauptschuldige in einem Immobilienskandal, durch den die Kirche 10 Millionen US-Dollar verloren hat. Der Vatikan hat inzwischen den Beschluss der Synode der mit Rom unierten syro-malabarischen Kirche von Kerala zur Trennung von Kirchenführung und Bistumsverwaltung gebilligt.

Hinzu kommt der Mord an Pfarrer KJ Thomas, Rektor des St Peter's Pontifical Seminary in Bengaluru in Karnataka, den drei Priester und drei katholische Laien begangen haben sollen. "Kerala und Karnataka sind nicht die einzigen Bundesstaaten mit Kirchenskandalen", sagt Virginia Saldanah, eine der prominentesten katholischen Theologinnen des Landes, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

"So schwerwiegend das auch ist"

Für den Menschenrechtsaktivisten und ehemaligen Präsidenten der 1909 gegründeten "All India Catholic Union", John Dayal, ist nicht der sexuelle Missbrauch an Kindern durch Priester - "so schwerwiegend das auch ist" - das größte Problem der indischen Kirche. "Einvernehmliche und nicht-einvernehmliche Allianzen Erwachsener sind vielleicht bekanntere Beispiele für moralische Verfehlungen, die lange ignoriert wurden", sagt Dayal und fügt hinzu: "Es wurden in den letzten Jahren viel zu viele Geistliche und Ordensleute von ihren Opfern öffentlich beschuldigt, um weiter so zu tun, als gebe es dieses Problem nicht."

Die Kirchenskandale spielen den herrschenden Hindunationalisten von Premierminister Narendra Modi in die Hände, die Stimmung gegen Christen machen. Den Schwestern des Mutter-Teresa-Ordens werfen sie etwa Kinderhandel vor. Dayal befürchtet, die Kirche stehe auf verlorenem Posten, wenn sie sich weiterhin als unfähig erweise, auf solche Anschuldigungen zu reagieren - und mit den Skandalen in den eigenen Reihen offen umzugehen. "Nach meiner Meinung hat Transparenz, auch wenn sie zunächst weh tut, eine große Heilungskraft."

Bisher wurden Skandale von der Hierarchie unter der Decke gehalten. "Durch die modernen Kommunikationstechnologien werden aber solche Dinge heute öffentlich", sagt Theologin Saldanah. "Die Kirche kann sich nicht mehr wie bisher hinter ihrer Geisteshaltung verstecken: 'Wir haben Recht, weil wir eine moralische Macht sind"." Durch diese Haltung zweifelten die Menschen zunehmend an der Glaubwürdigkeit und moralischen Führungsfähigkeit der Kirche. Sie selbst frage sich, ebenso wie viele andere in ihrer Heimat-Erzdiözese Mumbai, angesichts des Verhaltens vieler Priester und Bischöfe: "Glauben die noch an denselben Gott wie ich?"


Quelle:
KNA