Kardinal Napier zum Reformkurs der Weltkirche

Wie wäre es mal mit einem afrikanischen Papst?

Gewalt gegen Frauen, eine Befreiungsbewegung, die sich vor allem um sich selbst kümmert, und ein afrikanischer Papst. Im Interview spricht Kardinal Wilfrid Fox Napier über Probleme in Südafrika und den Reformkurs der Weltkirche.

Kardinäle vor dem Konklave 2013 / © Michael Kappeler (dpa)
Kardinäle vor dem Konklave 2013 / © Michael Kappeler ( dpa )

KNA: Ihr neues Buch heißt "The Here and Now Christian". Wer ist der "Christ von hier und heute"? 

Kardinal Wilfrid Fox Napier (Erzbischof von Durban, Südafrika): Ich habe mich gefragt: Wie reagieren Christen auf die Fragen, die in den einzelnen Kapiteln aufgeworfen werden? Das "hier" bezieht sich auf Südafrika, das "heute" auf eine zeitgemäße Antwort. Die Leser sollen über ihre eigene Situation nachdenken und dann überlegen, wie sie als Christen darauf reagieren.

KNA: Sie sprechen von einer "großen Herausforderung" mit Blick auf Reformen, die Papst Franziskus den Katholiken weltweit auferlegt hat. Was bedeutet das für Sie und Ihre Mitbischöfe? 

Napier: Es war in erster Linie ein Gangwechsel, weg vom Status quo. Papst Franziskus stammt nicht aus Europa und unterwirft sich auch keiner europäischen Vorstellung eines Papstes. Er hat die Freiheit, er selbst zu sein. Das brachte eine große Aufgabe für uns alle mit sich: aus diesen künstlich geschaffenen Strukturen auszubrechen und zu den Leuten rauszugehen. Wenn wir bei unserer Evangelisierung effektiv sein wollen, müssen wir die Kirche erneuern und in einigen Punkten auch reformieren. Dinge, die nicht funktionieren, über Bord werfen; neue aufgreifen.

KNA: In Ihrem Buch sprechen Sie den Mitgliederschwund der Kirche in Europa an und schlagen in dem Zusammenhang einen afrikanischen Papst vor. Welche Vorteile würde das mit sich bringen?

Napier: Das ist eine spekulative Frage. Trotzdem: Die Kurienkardinäle Sarah, Turkson oder Arinze haben viel Erfahrung im Vatikan gesammelt,  und schon vor ihnen gab es herausragende Beispiele für afrikanische christliche Führungskräfte. Ein Merkmal von afrikanischer Kultur und Lebensweise ist die hohe Stellung der Familie. Das Thema Familie wäre für einen afrikanischen Papst sicher ein Pluspunkt.

KNA: In Bezug auf Ihre Heimat Südafrika unterscheiden Sie zwischen einer regierenden und einer herrschenden Partei. Was trifft 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid auf Nelson Mandelas ANC zu? 

Napier: Die Partei ist das Musterbeispiel, vor dem ich warnte. Sie sieht sich als Regierung an - dabei herrscht sie. Im mittelalterlichen Europa bestimmte der König, was gut ist für das Volk. In einer Demokratie hingegen hört eine Regierung ihren Bürgern zu und antwortet auf ihre Bedürfnisse.

KNA: Und im ANC ...?

Napier: ... herrscht immer noch die Denkweise, dass man etwas für das Volk tut - und es im Gegenzug dankbar sein müsse. Nicht, dass man die Aufgabe hätte, dem Volk zu dienen, sondern dass man ihm einen Gefallen tut. Zudem macht der ANC keinen Unterschied zwischen Regierung und Partei. Wir sprechen von Demokratie, aber erleben nur wenig davon. In einem weiteren Punkt hat der ANC immer noch nicht den Übergang von einer Befreiungsbewegung zu einer politischen Partei geschafft. Wer sich gegen ihn ausspricht, wird als Feind angesehen, den es zu eliminieren gilt - nicht als legitimer Gegenspieler, der eine Alternative bietet.

KNA: Zudem kritisieren Sie eine "neue Klassifizierung nach Ethnie". Schwarze Südafrikaner werden etwa am Arbeitsmarkt bevorzugt. Ist das nicht die einzige Möglichkeit, das soziale Ungleichgewicht der Apartheid auszugleichen?

Napier: 25 Jahre später setzen wir immer noch auf das System - aber ohne sichtbaren Erfolg. Egal ob eine schwarze oder weiße Regierung: Beide diskriminieren Menschen, indem sie sie in eine ethnische Schublade stecken. Der ANC erkennt nicht, dass er die Apartheid am Leben erhält, bloß in einer anderen Form. Ich sehe keinen Unterschied zwischen alter und neuer Diskriminierung. Wir müssen zurück zum Start und vor Gott alle Menschen gleich ansehen.

KNA: In den vergangenen Wochen schockierten mehrere Frauenmorde Südafrika. Landesweit gingen Frauenrechtler auf die Straße. Sie hingegen forderten innerhalb der Kirche Hilfe für Männer. Warum? 

Napier: Ich stimme völlig zu, dass man etwas gegen Gewalt an Frauen und Kindern unternehmen muss. Aber auf welche Weise? Indem man Frauen sagt, sie müssen aufstehen und stark sein? Wir brauchen Seelsorge für die, die für die Gewalt verantwortlich sind; für die Täter.

Es ist dasselbe mit Kindesmissbrauch. Wir können von einem Kind nicht verlangen, dass es sich gegen seine gewalttätigen Eltern verteidigt.

Stattdessen müssen wir den Eltern helfen, sodass sie sich ändern und erkennen, wie sie ihr Kind behandeln. Größter Schaden wurde angerichtet, als man Südafrikas Männer massenweise als Bergarbeiter rekrutierte, sie von ihren Familien trennte und bei der Arbeit als kleine Jungs behandelte. Wo sollen diese Männer einen Sinn für Männlichkeit und Würde herbekommen? Will man ihnen die Gewaltbereitschaft nehmen, dann muss man ihnen erst beibringen, sich selbst zu respektieren.

Das Interview führte Markus Schönherr.


Kardinal Napier (KNA)
Kardinal Napier / ( KNA )

Kardinal Peter Turkson (KNA)
Kardinal Peter Turkson / ( KNA )

Kardinal Robert Sarah / © Benedikt Plesker (KNA)
Kardinal Robert Sarah / © Benedikt Plesker ( KNA )

Kardinal Francis Arinze / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Kardinal Francis Arinze / © Gregory A. Shemitz ( KNA )
Quelle:
KNA