Klosterleben in der Türkei

Der Abt und sein einziger Mönch

Einst blühte in Ostanatolien im Grenzgebiet zu Syrien christliches Leben. Völkermord und Vertreibungen seit 1915 haben davon nicht viel übriggelassen. Doch einige Christen sind noch da - und pflegen die uralte Tradition.

Autor/in:
Georg Pulling
Abtbischof Philoxenus in Deyrulzafaran / © Georg Pulling (Kathpress)
Abtbischof Philoxenus in Deyrulzafaran / © Georg Pulling ( Kathpress )

Wie schafft man den Spagat zwischen klösterlichem Leben und Tourismusbetrieb? Was schon hierzulande oft schwierig ist, wird im Kloster Deyrulzafaran in der Südosttürkei zum Balanceakt. Das Kloster im Gebirge Tur Abdin nahe der Stadt Mardin geht auf das 5. Jahrhundert zurück und kann auf eine große Geschichte verweisen. Bis 1932 war es Sitz zahlreicher syrisch-orthodoxer Patriarchen.

Inzwischen entdecken auch immer mehr Türken dieses Kleinod. Besucher aus dem westlichen Ausland kommen hingegen nur wenige.

Klostergemeinschaft mit nur einem Mönch

Mor Philoxenus Saliba Özmen ist seit 2003 Abt von Deyrulzafaran. Seine Klostergemeinschaft besteht neben ihm nur aus einem einzigen Mönch. Da fällt es schwer, das kirchliche Erbe zu bewahren und das Kloster als spirituelle Oase in einem muslimischen Umfeld zu etablieren. Dennoch: Der Abt brachte die Renovierung des Kirchen- und Gebäudekomplexes auf den Weg und sorgte dafür, dass die brachliegenden landwirtschaftlichen Güter wieder bepflanzt wurden.

Inzwischen sind diese Schritte getan und die Landwirtschaft entwickelt sich gut. Bis zu 20 Arbeiter kann der Abt beschäftigen. Es gibt auch ein kleines Cafe im Eingangsbereich des Klosterareals und einen Souveniershop. 30.000 Ölbäume wurden in den vergangenen 15 Jahren gepflanzt und Weingärten angelegt. Das alles reicht, damit der Abt die Gehälter seiner Mitarbeiter zahlen kann. Große finanzielle Sprünge könne er aber nicht machen.

Bischof der syrisch-orthodoxen Erzdiözese Mardin/Diyarbakir

Der Abt ist zugleich auch Bischof der syrisch-orthodoxen Erzdiözese Mardin/Diyarbakir. Seine Diözese ist freilich - ähnlich dem Kloster - höchst überschaubar: In der Stadt Mardin leben gut 100 christliche Familien, bis zu 30 weitere in einigen Dörfern ringsum. Eine Handvoll Gläubige lebt auch noch im nahen Diyarbakir. Damit ist die Diözese auch schon beschrieben. Dem Bischof stehen für die Seelsorge gerade mal zwei Priester zur Verfügung, einer in Diyarbakir, einer in Mardin.

In Mardin gibt es allerdings etliche Kirchen: fünf syrisch-orthodoxe, eine syrisch-katholische, eine chaldäische, eine armenisch-katholische sowie ein protestantisches Gebetshaus. Das zeugt von einer großen christlichen Vergangenheit der Stadt. Heute aber kommen die wenigen Gläubigen jeden Sonntag in einer anderen Kirche Mardins zusammen. Syrisch-orthodoxe sowie die wenigen syrisch-katholischen und chaldäischen Gläubigen feiern stets gemeinsam Gottesdienst.

Dasselbe Bild in Diyarbakir, wo der syrisch-orthodoxe Priester für vielleicht 30 Gläubige zuständig ist. Zu den Gottesdiensten kommen auch die wenigen syrisch-katholischen und chaldäischen Gläubigen in der Stadt.

Zurück nach Mardin: Die vielen Kirchen der Stadt befinden sich laut Bischof Philoxenus eigentlich am falschen Platz, nämlich in der Altstadt. Die meisten Menschen zögen aber in die boomende Neustadt von Mardin, wo sich ein Hochhaus an das nächste reiht. "Eigentlich bräuchten wir dort eine Kirche und ein Gemeindezentrum", zeigt sich der Abt realistisch. Und das wolle er auch in Angriff nehmen, genauso wie neue Angebote für Jugendliche, Bibelrunden, soziale Initiativen und vieles mehr. Er würde im Rahmen der kirchlichen Einrichtungen auch gerne mehr jungen Leuten einen Arbeitsplatz bieten. "Sonst ziehen sie weg, nach Istanbul oder in den Westen."

Verhältnis zum türkischen Staat besser geworden

Sorgen bereiten dem Abt auch die Auseinandersetzungen mit den Behörden um Kirchenbesitz. Dabei geht es um landwirtschaftliche Flächen, aber auch um alte Kirchen. Die zu osmanischen Zeiten dokumentierten Besitzverhältnisse hielten modernen Verwaltungsansprüchen nicht stand, aber auch bei den Neuregistrierungen in den 50er Jahren wurde noch viel verschlampt.

Jedenfalls müsse die Kirche immer wieder um ihre Besitztümer kämpfen, auch wenn sie im Besitz entsprechender Dokumente ist. Ab und zu gibt es dann aber doch Erfolge, wenn etwa alte Kirchen zurückgegeben werden, berichtet der Bischof. Dann fehle aber oft das Geld, um diese wiederherzurichten; und selbst, wenn das gelingt, fehlten schlicht die Gläubigen.

In den letzten Jahren ist das Verhältnis zum türkischen Staat laut Bischof aber besser geworden. Auch wenn noch viel Luft nach oben sei.

Von den Kämpfen zwischen der kurdischen PKK und dem türkischen Militär, die 2015/16 wieder aufflammten, sei die Kirche weitgehend verschont geblieben. Das Militär habe die kirchlichen Einrichtungen geschützt. Die Christen hätten einen besseren Stand in der Gesellschaft als noch vor 20 Jahren. Dennoch: Auch hier bleibt viel Luft nach oben.

Der Bischof würde gerne mehr westliche Besucher in seinem Kloster empfangen. Die mageren Besuchszahlen hätten wohl auch viel mit dem Syrien-Konflikt zu tun. Die Grenze ist nur einige Kilometer entfernt, vom Dach des Klosters hat man einen wunderbaren Ausblick weit nach Syrien hinein.

Stagnierende Besucherzahlen

Die stagnierenden Besucherzahlen haben aus Sicht des Bischofs aber auch mit Diplomatie zu tun. "Je besser die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa sind, umso besser ist das auch für uns." Tur Abdin sei mehr als nur eine geografische Region, sondern das spirituelle und kulturelle Zentrum des syrischen Christentums. "Ohne Tur Abdin gäbe es uns in dieser Form nicht", zeigt sich der Bischof überzeugt.

"Tur Abdin" ist aramäisch und bedeutet "Berg der Knechte Gottes". Das nimmt Bezug auf das syrische Mönchtum, das im 4. Jahrhundert in dieser Region entstand. Verwaltungsmäßig ist ein Teil der Provinz Mardin gemeint, wobei Tur Abdin keine politische, sondern eine religiös-kulturelle Bezeichnung ist. Die Provinz Mardin zählt laut offiziellen Angaben rund 800.000 Einwohner. Nur rund 2.600 davon sind Christen. Die meisten gehören der syrisch-orthodoxen Kirche an.

Die Erzdiözese Tur Abdin zählt noch gut 1.900 Christen, die Erzdiözese Mardin etwa 670. Im Orient werden allerdings weniger Einzelpersonen als vielmehr Familien gezählt. Mit anderen Worten: In der Erzdiözese "Tur Abdin" leben noch knapp 500 christliche Familien, in der Erzdiözese Mardin knapp 150.

Tur Abdin ist das spirituelle und kulturelle Zentrum des syrisch-orthodoxen Christentums, mit einer glanzvollen Vergangenheit. Rund 80 Klöster gab es einst. Heute sind nur mehr sechs - darunter Deyrulzafaran - ständig bewohnt.


Quelle:
KNA