Waldbrände in der Türkei

Brandstiftung gegen Christen?

Seit Tagen brennt es in der Türkei in Gebieten, in denen vor allem Christen leben. Sie gehen davon aus, dass die Feuer absichtlich gelegt wurden. Der Staat hält sich raus und löscht nicht mehr.

Autor/in:
Marion Sendker
Feuer im Tur Abdin (privat)
Feuer im Tur Abdin / ( privat )

Die Flammen kommen immer näher. Es sind vor allem Jugendliche, die versuchen, sie mit Erde und Olivenzweigen auf Abstand zu ihren Häusern zu halten. Seit mehr als einer Woche brennt immer wieder die Erde – im Südosten der Türkei, nahe der syrischen Grenze. Das Gebiet heißt Tur Abdin, was so viel bedeutet wie "Berg des Knechts Gottes". Schon vor vielen Hundert Jahren haben hier Christen gelebt. Davon zeugt zum Beispiel das bekannte Kloster Mor Gabriel, das etwa 400 Jahre nach Christus gebaut wurde und noch intakt ist.

Jetzt steht das Land der Urchristen in Flammen. Betroffen ist vor allem Ackerland, also Olivenhaine, Weinstöcke oder Flächen, auf denen Schafe normalerweise grasen. Nach Angaben der Behörden sind mittlerweile mindestens 200 Hektar Land verbrannt. Auch ein Friedhof stand in Flammen und vor ein paar Tagen brannte es in den Gärten des alten syrisch-orthodoxen Klosters Mor Zafaran in der Nähe der Stadt Mardin. Es gibt Bilder, auf denen man sieht, wie das Feuer bis an die Mauern des Klosters herankommt. Der Brand konnte zwar gelöscht werden, aber unzählige Bäume und insgesamt rund zehn Hektar Anbaufläche wurden vernichtet.

Christen vermuten Brandstiftung

Für die Menschen in der Region steht damit nicht nur die Ernte auf dem Spiel, sondern sie sehen auch ihre Kirchen und Klöster bedroht. Außerdem kommen die Flammen immer näher an die zahlreichen Dörfer heran, die vorwiegend christlich sind und wo sich erst seit einigen Jahren wieder Christen ansiedeln. Sie mussten vielen Jahren von dort vor Unterdrückung durch Militär, Staat und regionaler Milizen fliehen. Viele sind nach Europa gegangen und kommen jetzt langsam wieder zurück.

Immer mehr Menschen gehen davon aus, dass die Feuer absichtlich gelegt wurden. Zwar ist es im Tur Abdin im Sommer mit Temperaturen um die 40 bis 50 Grad extrem heiß und trocken. Deswegen brennt es immer mal wieder in den Sommermonaten. Doch dieses Jahr ist anders: Die Brände sind heftiger, sie brechen zum Teil an verschiedenen Orten gleichzeitig aus und sie brachen etwa dann aus, als die Kämpfe zwischen türkischer Soldaten und Milizen der verbotenen terroristischen PKK wieder begannen.

Zwischen PKK und türkischem Militär

Es gibt drei Theorien, woher die Brände kommen. Erstens: Das Feuer ist durch herumliegende Munition entstanden. Zweitens: Die PKK-Kämpfer haben es gelegt, um sich gegen die türkischen Soldaten zu wehren. Drittens: Die türkischen Soldaten haben es gelegt, um die PKK-Kämpfer zu vernichten. Die Christen sind mal wieder zwischen die Fronten eines Kriegs geraten, mit dem sie nichts zu tun haben möchten.

Manche verstehen die Brände auch als Angriff auf die rückkehrwilligen Christen. Sie vermuten eine Taktik dahinter, damit bloß nicht mehr Christen in die Region zurückkehren. Denn in dem Gebiet leben sehr viele verschiedene religiöse und ethnische Gruppen. Dass die Christen zurückkommen, gefällt nicht allen dort. Es geht dabei vor allem um alte Rivalitäten und um Grundstücke. Als fast alle Christen vertrieben waren, konfiszierte der Staat die Ländereien und enteignete die Christen. Erst nach kostspieligen Gerichtsprozessen und auf internationalen Druck hin wurden einige der Grundstücke zurückgegeben.

Feuerwehr traut sich nicht in die Flammen

Mittlerweile sei die Situation so schwierig, dass selbst die Feuerwehr nicht mehr löschen wolle, berichten Anwohner. Sie begründen das damit, dass in den brennenden Wäldern noch immer Militär gegen PKK-Anhänger kämpfen würde. Und solange das Militär es der Feuerwehr nicht erlaubt zu löschen, würden sie nicht ausrücken.

Den Anwohnern bleibt nichts anderes übrig, als sich selbst zu verteidigen – weil das Wasser knapp ist, nehmen sie dafür vor allem Olivenzweige – solange es noch welche gibt.


Quelle:
DR